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Es fing an wie jetzt. Als Uwe Eric Laufenberg vor fünf Jahren den Theaterthron bestieg, sondierte er erst einmal das „Volk“.

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Es fing an wie jetzt. Als Uwe Eric Laufenberg vor fünf Jahren den Theaterthron bestieg, sondierte er erst einmal das „Volk“. Fast alle Schauspieler schickte er von dannen und scharte eine eigene kleine Truppe um sich. Mit 15 Mimen wie zu Shakespeares Zeiten sagte er dem Überdruss den Kampf an. „Theater unterwegs“ statt Blechbüchsenfrust, schrieb er sich auf die Fahnen und wirbelte durch die Stadt, dass man kaum folgen konnte.

Mit seinem Lieblingsautor Tschechow bestach er in der Orangerie in Sanssouci, und als Veronika beschloss zu sterben, bot er ihr die kahlen Betonwände der Fachhochschule an. Selbst die Gemeinde der Französischen Kirche gewann er für die hehre weltliche Kunst und ließ den aufrührerischen Geist Tolstois mit „Krieg und Frieden“ zu Felde ziehen. Unvergessen vor allem seine „Frau Jenny Treibel“ im Palais Lichtenau, an deren Tafel die Zuschauer die Suppe fast mitauslöffelten, die die ach so feine Dame angerichtet hatte.

Fast war man enttäuscht, dass das Wandern ein Ende hatte, als nach beinahe 60 Jahren Potsdam tatsächlich ein richtiges Theater erhielt. Aber natürlich strömten die Massen, um zu sehen, wohin die roten Fächer über den Tiefen See nun wedelten. Mit fünf Premieren auf einem Schlag versetzte Laufenberg nicht nur seine eigenen Leute in Dauerspannung. Der große Ansturm ist mittlerweile der Normalität gewichen. Und selbst wenn große Namen auf der Besetzungsliste stehen, ist das nicht unbedingt der Garant für ein ausverkauftes Haus. Laufenberg vertraute während seiner heute zu Ende gehenden fünfjährigen Ära auf eine gesunde Mischung aus Herz und Verstand, aus Gestern und Heute. Mit politisch wachem Instinkt sorgte er unter eskortierendem Polizeischutz, dass Salman Rushdies Worte nicht verstummen, führte im „Fall Janke“ und in „Staats-Sicherheiten“ in die DDR-Diktatur zurück. Und immer wieder ging es auch um Preußen, um die Wurzeln der Stadt.

Nicht jedem gefielen seine Inszenierungen, in denen er das Bloßlegen der Charaktere oft so wörtlich nahm und sie bis auf die nackte Haut präsentierte. Doch ob bei Jenny Treibel oder Faust – Laufenberg füllte das Theater oft mit Ideen, Kraft und Witz. Sein Temperament und seine Offenheit schwappten weit über die Bühne hinaus. Er benannte ohne diplomatischen Schliff die Ecken und Kanten des Theaterverbundes, boxte mit durch, dass es wenigstens im Winter eine Oper gab. Er wäre vielleicht länger in Potsdam geblieben, doch seine Vorstellungen entsprachen nicht denen der Stadt. Er wollte in der A–Liga mitspielen, mehr Qualität als Quantität und auch die Berliner nach Potsdam locken. Und er wollte das Kinder- und Jugendtheater ausgliedern, es eigenständig durchs Land touren lassen. Vor allem aber seine Idee, auch im Sommer, wenn in Berlin Theaterferien sind, das Haus am Wasser zu öffnen, sollte nicht in der Havel versinken.

Jetzt wird es erst einmal ein Vierteljahr dicht gemacht – jedenfalls für die Zuschauer. Im Inneren wird ausgekehrt und dem Thronfolger mit seinem Gefolge Platz gemacht. Wenn sich heute nach „Kirschgarten“ der letzte Vorhang für Laufenberg und seine Crew schließt, bleiben viele schöne Erinnerungen. Vor allem auch an die Schauspieler, die sich nun neue Meister suchen.

Bis zum 1. Oktober heißt es warten, um die Neuen zu begrüßen. Acht Premieren lauern allein im Auftaktmonat auf die bis dahin sicher so richtig ausgehungerten Theaterfreunde.

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