Auf der Suche nach dem anderen Geist von Potsdam war der promovierte und habilitierte Germanist, Kirchenhistoriker und Publizist Günter Wirth immer wieder in seinem Leben. Nicht der Geist des Militaristischen, der jahrhundertelang die Stadt an der Havel prägte, war sein Thema, sondern jenem, der der humanistischen Kultur, Bildung und Toleranz verpflichtet war. An viele Männer und Frauen Potsdams vor allem aus der adligen und bildungsbürgerlichen Welt, erinnert er in seinem Buch „Der andere Geist von Potsdam“, das im Jahre 2000 im Suhrkamp Verlag erschien. Es sind Menschen, die weit über die ehemalige Residenzstadt hinaus Ruhm erlangten, als Musiker, Schriftsteller, Verleger, Kirchenleute oder Widerständler gegen Hitler. Zwar muss der Leser viele Namen Revue passieren lassen, doch sie hinterlassen nicht den Eindruck eines bunten Kaleidoskops. Günter Wirth hinterfragte und reflektierte. Dabei konnte er immer sein großes historisches Wissen zu Hilfe nehmen. Und so wurde „Der andere Geist von Potsdam“ eines der wichtigsten Bücher zur Kultur- und Geistesgeschichte dieses ambivalenten Schicksalsortes.
Günter Wirth fühlte sich stets als Potsdamer, obwohl er in Berlin lebte. Schon Ende der vierziger Jahre kam der im erzgebirgischen Brand-Erbisdorf Geborene nach Potsdam. Er wurde Volontär bei der Zeitung „Märkischen Union“, die von der CDU herausgegeben wurde. Der DDR-Blockpartei blieb er stets verbunden. Nach dem Germanistik-und Philosophiestudium war er stellvertretender Chefredakteur des CDU-Zentralorgans „Neue Zeit“, Cheflektor im Union Verlag, Chefredakteur des „Evangelischen Pfarrerblatts“ sowie der Monatsschrift „Standpunkt“, das sich besonders an die protestantischen Christen der DDR wandte. Die Zeitschrift vertrat vor allem die Leitlinien der DDR-Kirchenpolitik. Aber auch Kulturprotestantisches war darin stark vertreten. In so manchen Gremien, die der DDR-CDU nahe standen, fand der Honorarprofessor für Neue und Neueste Kirchengeschichte weitere intensive Betätigungsfelder.
Aber immer war Günter Wirth das Publizieren und Herausgeben von Büchern von immenser Wichtigkeit. Er konnte durchsetzen, dass das Tagebuch des in der NS-Zeit tragisch endenden Dichters von Jochen Klepper, das unter dem Titel „Unter dem Schatten deiner Flügel“ erschien, auch den Lesern in der DDR erschlossen wurde. Für dieses Buch verfasste er ein außerordentlich kenntnisreiches und zu Leben und Werk Kleppers führendes Vorwort. Den Schriftstellern Reinhold Schneider oder Albrecht Goes galt auch seine besondere Aufmerksamkeit.
Und immer wieder Potsdam. Ihre Zeit- und Kulturgeschichte sowie die damit verbundenen Lebenswege von Personen beschäftigten ihn. Er schrieb darüber zahlreiche Artikel in verschiedenen Zeitschriften, Anfang der neunziger Jahre auch für die Potsdamer Neuesten Nachrichten.
Wie uns erst in diesen Tagen bekannt wurde, ist Günter Wirth zwei Tage vor seinem 80. Geburtstag am 5. Dezember in Berlin gestorben. Klaus Büstrin
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: