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Kultur: Unflüchtiges Erbe

In Sacrow wurde „Die schwarze Mamba“ von Celia Isabel Gaissert vorgestellt

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„Seid ihr überhaupt sicher, dass der Krieg vorbei ist?“, fragt der nordamerikanische Autor Jonathan Littell ganz zu Beginn seines aufsehenerregenden Romans „Die Wohlgesinnten“. Wie er sich darin mit dem „Innenleben“ eines SS-Mannes auseinandersetzt, wird derzeit besonders in Frankreich sehr kontrovers diskutiert. Für Littell ist der Krieg erst vorbei, „wenn das letzte Kind, das am letzten Tag des Krieges geboren wurde“ wohlbehalten begraben sei. Trotzdem lebt das Geschick in der nächsten Generation weiter, wie man am „Fall“ Günter Grass sieht. Was nicht „bewältigt“ ist, lebt eben als unflüchtiges Erbe fort.

Insofern ist es nur zu begrüßen, wenn sich auch deutsche Prosa-Autoren mit diesem Thema beschäftigen, unter Historikern ist der „Perspektivwechsel“ im Täter-Opfer-Schema zur Komplettierung von Wahrheit längst im Gange. Voriges Jahr erschien im Ploettner Verlag der Roman „Die schwarze Mamba“, worin sich auch Celia Isabel Gaissert aus „Tätersicht“ mit den „Spätfolgen“ eines verschwiegenen Kriegsverbrechens beschäftigt.

Anlässlich des diesjährigen Holocaust-Tages stellten Ars Sacrow e. V. und die Stiftungsbuchhandlung diesen halbfiktiven Roman als Autorenlesung noch einmal vor. Viele Hörer im Sacrower Schloss, eine rege Diskussion, es lohnt sich also, von der Vergangenheit zu reden. Außerdem stärkt es die vielbemühte Zivilcourage.

Das Werk nimmt einen siebenfachen, kaltblütig ausgeführten Mord zum Anlass, die Gegenwart über das Geschehen von einst befinden zu lassen. Vor den Augen seiner Subordinierten erschoss der SS-Mann Much im tschechischen Litorac sieben Häftlinge beim Ausheben eines Panzergrabens. Der Wachmannschaft wurde lebenslange Verschwiegenheit befohlen. Béla Vallaire, Offiziersanwärter (Junker) aus dem Banat, hat sich bis zu seinem achtzigsten Jahr daran gehalten. Nach dem Krieg setzte er sich nach Kanada ab, eine erfolgreiche Universitätskarriere begann. Sein Gewissen, von dem man sagt, es sei die Stimme Gottes im Menschen, regte sich dann doch, er (die schwarze Mamba für Much) machte die Tat per Zeitung publik. Als die Halbgeschwister Saskia und Vincent davon erfahren, ist alles wieder da. Aus drei Erzählperspektiven berichtet die Autorin nun, wie das Schweigen einerseits, das „Aufklären“ andererseits bei den Nachgeborenen eben keine Früchte trägt. Sie selbst schlüpfte dabei in die (männliche) Rolle des 18-jährigen Junkers, den angeblich schon damals ein „humanitäres Gewissen“ anfocht. Kaum glaubhaft, einem Offiziersanwärter der SS wurden zuerst die elitären Werte des Herrenmenschentums eingeimpft, sollten ihn also Skrupel über internationale „Kriegsgesetze“ umtreiben? Es gibt viele unscharfe Stellen in diesem Buch.

Was die Autorin mit dem klingenden Namen über die Gegenwart dieser Vergangenheit zu sagen hat, ist mehr als beachtlich, vor allem ihr Mut, sich trotz erheblicher Vorbehalte einem solchen Thema, mithin auch Vorwürfen zur verbotenen „Einfühlung“, zu stellen. Bei ihr verliert Vallaire als „Angehöriger einer verbrecherischen Organisation“ seinen Lehrstuhl, Saskia, wie die Autorin in Rechtsfragen auf dem Balkan tätig, kommt durch einem mysteriösen Autounfall ums Leben, auch Vincent wird nicht glücklich, und das lebenslange Schweigen des SS-Ordens hält an. Man erbt eben alles oder nichts. Ist der Krieg nun zu Ende, wenn die Vergangenheit so energisch nach der Gegenwart greift? Gerold Paul

Celia Isabel Gaissert, „Die schwarze Mamba“ , Ploettner Verlag

Gerold Paul

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