Kultur: „Unter cristallenen Kronen“
Potsdamer Hofkonzerte starten in neue Saison und lassen stumme Zeugen der Geschichte sprechen
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Sie waren ein Luxusartikel und teurer als die Gage für einen Schauspieler. Doch wer auf sich hielt, steckte Tausende von ihnen in cristallene Kronleuchter. Ein Meer von Kerzen bedeutete ein Mehr an Repräsentation und war damit Ausdruck von Macht. Allein im Weißen Saal des Berliner Schlosses brannten anno 1850 rund 2500 Kerzen. Während der einfache Mann sich mit qualmenden Kienspänen ein zartes Lichtlein entfachte, leisteten sich die wohlhabenden Königshäuser das glanzvolle Erstrahlen ganzer Säle im warmen Schein edlen Wachses. Je näher man sich auf die Räume des Monarchen zubewegte, um so prachtvoller entfaltete sich das Spiel der „himmlischen Erleuchtung“.
Mit der erhellenden Geschichte der „Kronleuchter als Symbole der Macht“ wird am 5. Mai die diesjährige Konzertsaison der Potsdamer Hofkonzerte Sanssouci eröffnet. Barbara V. Heidenreich hat sich für ihre 16. Spielzeit von der großen Restaurierungsausstellung der Stiftung Schlösser und Gärten inspirieren lassen, die dann im Juni startet. Neben Kronleuchter nimmt sie sich in ihrer Veranstaltungsreihe im Schlosstheater den Gottheiten in Marmor an und begibt sich zudem in einen Seidenrausch. Bei ihr wird das Thema Denkmalpflege in einem etwas anderen Gewand gekleidet: im Zwiegespräch von Kunsthandwerk mit der darstellenden und klingenden Muse.
Zum Auftakt liest Schauspielerin Annekathrin Bürger einen Text, der von der Kustodin Käthe Klappenbach über „cristallene Kronen“ lehrhaft, aber auch humorig verfasst wurde. Wie Ludwig XV. von Frankreich setzte auch der preußische König Friedrich II. die äußerst wirkungsvollen und teuren französischen Kronleuchter in seinen Wohnungen und Festsälen zur glanzvollen Selbstdarstellung ein. Eine Fotoprojektion wird die verschiedensten Lüster verschiedener Schlösser vorführen. Dazu musizieren die Flötistin Franziska von Brück, der Cembalist Gülen Ada Tanir und der Cellist Werner Klemm Werke von Hasse, Händel und Mozart. Im Anschluss gibt es eine Sonderführung durch beleuchtete Festsäle und Einblicke in die Restaurierungsarbeit.
Auf einen musikalisch-akrobatischen Spaziergang zu den stummen Zeugen der Geschichte Sanssoucis darf man sich am 20. Mai freuen. Der Titel „Ewig jung sind nur die Götter?“ trägt ganz bewusst ein Fragezeichen. Schließlich sind die Heroen aus Marmor und Sandstein empfindlicher als ihr Ruf. Und so müssen sie sich immer wieder auf eine Verjüngungskur in der Werkstatt versierter Restauratoren einlassen.
Der Abend wird bestimmt von dem Geist des Veranstaltungsortes: dem Neuen Palais, das Friedrich II. kurz nach dem Siebenjährigen Krieg erbauen ließ. So sind Krieg und Frieden auch das Veranstaltungsthema. Der Schauspieler Jens-Uwe Bogadtke liest dazu Texte von Voltaire und Fontane und Susanne Kirchner wird ihren wie Gummi dehnbaren Körper zu den verschiedensten Tanzskulpturen formen. Auch diese geerdete „Götterbotin“ wird von musikalischen Klängen umhüllt: mit Werken Couperins und Bachs, gespielt von der Musica Novatica Vienna. Nach dieser tanzenden Bildnerei gibt es einen sinnlich-greifbaren Nachschlag: bei einer Führung durch den Skulpturenhof dürfen die Gäste selbst zu Hammer und Meißel greifen.
Teurer als Gold war zu Königs Zeiten die Seide. Und ähnlich wie bei den Kerzen wollte man sich auch hierbei nicht nur mit Qualität, sondern auch mit Masse brüsten. Ludwig der XIV. konnte mit 165 Seidenbespannungen in seinem Schloss protzen. Natürlich fand die Seide auch ihren Weg nach Europa und damit nach Potsdam. Friedrich II. liebte dieses zarte Luxusgewebe und ließ sie über den eigenen Bedarf hinaus für den Export herstellen. Davon erzählen die Potsdamer Hofkonzerte am 8. September bei ihrer dritten und letzten Veranstaltung zum Thema Restaurierung. Auch hier steht mit der Kustodin Susanne Evers eine Expertin zur Seite, die den textlichen Part übernimmt. Es paaren sich Musik und Wort und eine Modenschau gibt es obendrein. Schließlich fasziniert Seide nicht nur an den Wänden, sondern auch als schmeichelnde Kleidung. Am Ende flanieren die Besucher durch die Rote Damastkammer und durch das Speisezimmer des Neuen Palais und dürfen das rauschende Material auch selbst anfühlen.
„Man muss immer wieder neue Ideen haben, um sich von anderen Kulturanbietern abzusetzen“, ist das Credo der Hofkonzerte-Chefin Barbara V. Heidenreich, der es gelungen ist dank einer stetigen Landesförderung und eines „tausendfüßigen“ Sponsorings ihr Unternehmen sicher durch die Zeiten zu manövrieren. Durch ihre Bühnenerfahrung weiß die einstige Sängerin zudem mit Künstlern sensibel umzugehen. Und sie weiß auch, die Zügel an sich zu reißen, wenn sie für eine Sache brennt. Das Thema Restaurierung gehört dazu.
Kartenbestellung bei der Konzertagentur Heidenreich unter Tel. 0331-245609.
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