
© J. Bergmann
Kommentar über den Neuen Markt in Potsdam: Unterwegs in der beruhigten Zone
Der Neue Markt in Potsdam ist schön - und ziemlich öde. Wer verirrt sich denn schon hierher, fragt sich PNN-Autorin Steffi Pyanoe. Doch es gibt noch Hoffnung für den historischen Platz, findet unsere Autorin - mehr oder weniger. Ein Kommentar.
Stand:
Potsdam - Ich hatte vor Kurzem ein erhellendes Erlebnis. Das HBPG hatte zu einer Vernissage eingeladen. Für alle, die nicht wissen, was das ist: Hier hört man das Gras wachsen.
Schön und leer: Aus dem Neuen Markt wurde eine zweite Schiffbauergasse
Früher war hier mal richtig viel los. 100 königliche Pferde waren im Kutschstall untergebracht, oben wohnten die Stalljungen. Es muss viel Trubel auf dem Markt gewesen sein. Nach dem Krieg zogen eine Autowerkstatt ein und ein Gemüsegroßhandel. Dann wurde restauriert. Land, Bund und EU steckten viel Geld rein. Aus dem Neuen Markt wurde eine zweite Schiffbauergasse, schön und leer. Es gibt, wie gesagt, Potsdamer, die wissen nicht mal, dass es ihn gibt, geschweige denn, wo er ist.
Er ist gleich hinterm Filmmuseum – auch so ein Musterbeispiel an Unsichtbarkeit. Oder das Potsdam Museum am Alten Markt, dem Elfenbeinturm unter den Museen der Stadt. Alles wunderbare Schätze – die zu oft ungehoben bleiben. An einem guten Tag, sagt die Dame am Empfang des HBPG, kommen etwa zehn Besucher in die ständige Ausstellung. Und ab und zu ein Reisebus oder eine Stadtführung. „Die Potsdamer haben das bestimmt schon alle gesehen“, vermutet sie. Ich rechne mal eben: Wenn nur jeder zweite Potsdamer Bürger einmal die Ausstellung besucht und diese alle 365 Tage im Jahr geöffnet wäre, bräuchte es in Zehnergrüppchen 21 Jahre. Das kann also nicht sein, das Haus wurde erst 2003 eröffnet.
Konjunkturpaket mit "Unterwegs im Licht"
Immerhin bekommt man hier noch was zu essen. Das neue Café am Filmmuseum lässt Gäste ab 18 Uhr draußen stehen und das sogenannte mediterrane Café am Nikolaisaal versucht, mit dem Charme einer Krankenhauskantine zu überzeugen.
Aber es gibt Hoffnung. Die Stadt hatte im vergangenen Jahr eine zündende Idee. „Unterwegs im Licht“ heißt ein Tag im dunklen Januar, an dem alle regulären Öffnungszeiten der Häuser, Führungen und Sonderaktionen, alles was auf einen Flyer passt, zu einem Killer-Laserstrahl gebündelt wird. „Um das kulturelle Potential der historischen Mitte der Landeshauptstadt sichtbar werden zu lassen.“ Dazu kommt die altbewährte Show der oberkörperfreien Feuerspucker und Laternenumzüge, die gehen immer, zudem darf „bis Mitternacht das Tanzbein geschwungen werden“.
Dann ist ja alles super, fertig ist das Konjunkturpaket. Festivallerie statt Kavallerie am Neuen Markt. Ich wette, das Ordnungsamt steht schon bereit. Mit Taschenlampen. Oder Laternen. Unterwegs im Licht. In der gut beleuchteten verkehrs- und kulturberuhigten Zone.
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