
© Kitty Kleist-Heinrich
Kultur: Unterwegs zu den Schriftstellern
Edda Gutsche und ihr neues Buch über Schriftstellerorte in Brandenburg
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Spätestens seit Theodor Fontanes fünfbändigem Werk „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ ist brandenburgische Literatur über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Auch der Dramatiker Heinrich von Kleist und seine Werke dürften nicht nur den Bürgern in seiner Geburtsstadt Frankfurt/Oder ein Begriff sein. Und in Wiepersdorf werden bis heute die Hinterlassenschaften von dem Dichter- und Schriftstellerpaar Bettina und Achim von Arnim gepflegt. Jedoch fühlten sich im Brandenburger Land noch weitaus mehr Literaten heimisch, als selbst dem ortskundigsten Märker bekannt sein dürfte. Von Erkner über Falkenberg bis Buckow beherbergte so manches Dorf die Ursprünge literarischer Kunst.
Neben bekannten Autoren, wie Bertolt Brecht, Eva Strittmatter und Gerhard Hauptmann hat sich Edda Gutsche in ihrem neuen Buch „Ich musste auf’s Land, das war mir klar Schriftstellerorte in Brandenburg“ auf die Spuren der weniger bekannten Autoren, wie Berta Lask, Georg Kaiser und Gertrud Kolmar, begeben. Dabei spürt sie gebürtigen Brandenburgern und den Wahl-Brandenburgern in gleichem Maße nach. Denn viele zog es über die Jahre hinweg aus der Großstadt Berlin in die Ruhe und Idylle des ländlichen Umlandes. Schon in „Schlösser und Herrenhäuser in Pommern. Ein Kulturreiseführer“ hatte die ausgebildete Fremdenführerin und Reiseleiterin ihr Interesse historischen Orten in Pommern gewidmet. Nun also Brandenburg.
In Alt-Langerwisch, das einst Peter Huchel als sein Heim bezeichnete, beginnt Edda Gutsche ihre Reise durch das literarische Brandenburg, die in Potsdam mit Reinhold Schneider ihr Ende findet. In 16 Kapiteln versucht Edda Gutsche zwischen dem Leben und dem Werk der Autoren eine Brücke zu schlagen. Dabei legt sie jedoch meistens mehr Wert auf die Biografie, anstatt auf die Orte des Schaffens. Die Wohnhäuser und Arbeitsstätten wirken neben den zahlreichen biografischen Erzählungen beinahe nebensächlich. So auch im Kapitel „Hier schuf die Größe ...“ zu Reinhold Schneiders Leben in Potsdam: „Reinhold Schneider lebte in Potsdam äußerst bescheiden. Der abgedankte Kaiser hatte ihm aus dem Marmorpalais einen ,Hohenzollernschreibtisch’ zukommen lassen. Jochen Klepper besorgte daraufhin allerhand Mobiliar, um Schneiders Wohnung damit einzurichten.“ Reichlich bebildert gelingt es ihr einen Überblick darüber zu schaffen, wo und wie die Autoren gelebt haben. Diesem Zwecke dienen auch die in den Text eingeflochtenen kurzen Ausschnitte aus ihren Werken, die nicht selten von den Orten ihres Lebens handeln. „Potsdam hat Reinhold Schneider anfangs beeindruckt. ,Hier schuf die Größe, hart und unbedingt,/Die Form, von der wir ohne Wer erscheinen,/Und reißt uns, die wir zu vergehen meinen,/Zum Dauernden, das endlich doch gelingt’, heißt es in einem seiner Gedichte. Doch die Stadt blieb ihm Fremd. Er sehnte sich ,nach dem Walde und ernsten einsamen Höhen’, und die Sehnsucht wurde immer stärker. Im Oktober 1973 entschloss sich Schneider, Potsdam zu verlassen. Er konnte ,Kiefern und Sand, die herberglosen Dörfer der Mark nicht mehr ertragen’, schreibt sie über Reinhold Schneider und das Ende seiner Beziehung zu Potsdam.
Die Flut an Informationen über die Autoren ist allerdings selbst für den interessiertesten Leser oft fast nicht zu bewältigen, sodass Namen, Orte, Jahreszahlen und Lebensgeschichten miteinander zu verschmelzen drohen. Das Buch kann als Reiseführer verstanden werden. Genaue Ortsangaben und ihre Beschreibungen sollen den Leser auf die Spur der 16 Autoren führen. Das Verzeichnis von literarischen Gedenkstätten, Museen und Kulturvereinen in Brandenburg ist ausführlich. Doch stellt sich die Frage, für wen sich die Lektüre dieses Buches überhaupt eignet. Zwar kann man Edda Gutsche zugute halten, dass sie versucht regionale Autoren aus der Versenkung zu holen, so ist dem allgemeinen Leser mit der großen Anhäufung von Informationen kein Gefallen getan. Edda Gutsches Buch dürfte Kennern und Literaturinteressierten durchaus als Reiseführer dienen. Wo doch einige Orte und Häuser dem modernen Stadtbau zum Opfer gefallen sind oder weiterhin schlichtweg als normale Wohnhäuser genutzt werden, bleibt die Frage nach ihrem kulturhistorischen Wert offen. Der große Teil dürfte sich jedoch kaum als Ausflugsziel für den Laien eignen.
Edda Gutsche: Ich musste aufs Land, das war mir klar... Schriftstellerorte in Brandenburg, Verlag für Berlin-Brandenburg 2012, 19,95 Euro
Chantal Willers
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