Kultur: Verbissene Seebären gegen aalglatte Geschäftsmänner
Die „Ökofilmtour 2006“: Noch keine Blüte, aber ein hoffnungsvoller Sprössling
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Die „Ökomedia“ ist tot, die „Ökofilmtour“ jedoch wurde geboren. Als im vergangenen Jahr bekannt wurde, dass das Freiburger Filmfestival „Ökomedia“ aufgrund gestrichener Fördergelder nicht mehr durch Brandenburg touren wird, sah es danach aus, als habe Potsdam künftig kein ökologisches Filmfestival mehr. Doch der „Förderverein für Öffentlichkeitsarbeit im Natur und Umweltschutz“ (FÖN) hat sich an die Arbeit gemacht und inzwischen ein eigenständiges Filmfestival zum Thema Umwelt auf die Beine gestellt: die „Ökofilmtour 2006“. Nach der Reise durch 23 Spielorte kam das „1. Brandenburger Festival des Umwelt- und Naturfilms“ nun zum Abschluss im Potsdamer Filmmuseum an.
Inhaltlich möchte die „Ökofilmtour“ wie bereits die „Ökomedia“ unter Beweis stellen, dass der Umweltschutz und seine mediale Vermittlung auch heute noch von großer Bedeutung sind.
Wie eng Naturschutz und Medienarbeit mitunter verknüpft sind, zeigte bereits der erste Film am Donnerstag: Als am 30. April 1995 eine Hand voll Aktivisten der Umweltschutzorganisation Greenpeace die Ölplattform „Brent Spar“ besetzten, nahm mitten in der Nordsee eines der wichtigsten Medienereignisse des Jahres seinen Lauf. Schlicht „Greenpeace gegen Shell“ nannte Güsel Özkan seinen Dokumentarfilm zum zehnjährigen Jubiläum von Massenprotest und Medienkampagne, die den Ölkonzern letztendlich dazu bewogen hatten, die Plattform nicht wie geplant im Meer zu versenken. Eigentlich habe er ja, so erzählte der Regisseur im Filmmuseum, einen Spielfilm und keine Dokumentation drehen wollen. Die Rechte an dem spannenden Stoff hat er deshalb bereits vor Jahren erworben, allein die Finanzierung steht noch aus. Doch bereits seine Dokumentation beweist, dass in den Vorgängen um die Bohrinsel der Stoff für einen Thriller steckt: Verbissene Seebären gegen aalglatte Geschäftsmänner und dazwischen die richtige Menge an Action. Glücklicherweise verzichtet Özkans Film aber auf Polemik, lässt besonnene Ex-Manager von Shell, die freimütig über die Fehler des Konzerns plaudern, ebenso zu Wort kommen wie ehemalige Greenpeace-Aktivisten, die der Organisation heute sehr kritisch gegenüber stehen. Letztendlich wird deutlich: Greenpeace leistete die bessere Medienarbeit. Dazu gehört allerdings auch, dass die Umweltschützer seinerzeit mit überhöhten Angaben bezüglich des auf der „Brent Spar“ gelagerten Gifts die Allgemeinheit getäuscht hatten. Immerhin erreichten die Umweltschützer aber, dass sich die Öffentlichkeit ihrer Macht bewusst wurde und für eine ganze Weile die Tankstellen von Shell boykottierte.
Festivalleiter Ernst-Alfred Müller (FÖN) zeigte sich zufrieden, wenn auch nicht euphorisch über den ersten Abend der „Ökofilmtour 2006“ in Potsdam. Zufrieden war er, weil man auch ohne Fördergelder des Bundes ausgekommen war. Gefördert wurde das Projekt durch vom brandenburgischen Umweltministerium genehmigte Lotto-Mittel und der Landeszentrale für politische Bildung. Auch die positive Aufnahme des Programms bei Schülern in den Vormittagsvorstellungen stimmte den Organisator zuversichtlich. Etwas bedrückte ihn allerdings die Publikumsresonanz in Potsdam, die verhaltener ausfiel als die Erfahrungen bei der stets gut besuchten „Ökomedia“ hatten hoffen lassen. Da sich zudem bewahrheitete, was Müller bereits anfangs prognostiziert hatte, und vor allem Leute gekommen waren, die vom Umweltschutz nicht mehr überzeugt werden müssen, blieben auch die Diskussionen eher fachsimpelnd. Dies dürfte aber ebenso an Filmen wie „Der Sprit, der niemals ausgeht“ gelegen haben. Die nicht gerade spannende Dokumentation über alternative Energiequellen wurde vom Publikum zu Recht als „technikverliebter Werbefilm“ kritisiert.
Trotz alledem sieht Müller die „Ökofilmtour“ auf dem richtigen Weg. Zwar dürfe, so bilanzierte Müller, der große Name „Ökomedia“ nicht mehr verwendet werden. Doch gerade darin sieht er auch die Chance, nun in Brandenburg auf eigenen Füßen stehen zu können.
Moritz Reininghaus
Moritz Reininghaus
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