Ein schlecht versteckter Liebesbrief ist der Auslöser einer Katastrophe. Obwohl die intimen Beziehungen zwischen Effi Briest und dem Major von Crampas im Grunde längst vorbei und nicht mehr wahr sind, will aber Effis Mann, Geert von Instetten, an eine Versöhnung nicht denken. Er duelliert sich mit Crampas und verstößt seine Frau. Eigentlich ein trivialer Stoff. Aber wenn einer, wie Theodor Fontane daraus einen hinreißenden Roman zu schreiben versteht, dann wird die Geschichte neben der psychologischen Ausdeutung auch ein Gesellschaftsdrama, eine Kritik an überholte Ehrbegriffe
Effi Briest erfährt derzeit immer wieder eine Bearbeitung verschiedener Autoren für die Bühne. Am Hans Otto Theater Potsdam wird man in der kommenden Spielzeit ebenfalls eine Dramatisierung erleben. Das Seefestival im märkischen Wustrau spielt in diesem Sommer „Effi Briest“ in der Bühnenfassung von Carsten Andörfer, der auch für die Regie verantwortlich zeichnete – mit großem Publikumserfolg. Nun holte das Brandenburger Theater diese Inszenierung aus dem Park Wustrau in das St. Pauli-Kloster. Im lang gestreckten Chorraum des märkischen Backsteinbaus konnte das Publikum das tragische Geschehen ganz dicht verfolgen. Angedeutet wurden die Handlungsorte, jedoch zu sehr auseinander gezogen: In der Mitte das Schloss von Effis Elternhaus in Groß Kremmen, links davon Bett und Tisch mit den Spukgestalten, dem Chinesen und dem Krokodil, im Hause Instetten in Kessin, rechts die schlichte Wohnung der Verstoßenen in Berlin.
Andörfers Dramatisierung bewahrt insgesamt den epischen Grundton des Romans. Gelingt es ihm im ersten Teil noch lebendiges Theater auf die Bühne zu bringen, erlebt man nach der Pause, wenn sich die Tragödie anbahnt und gelebt werden muss, eher behäbiges Erzähltheater. Die Vielfalt des Romans ist in dieser eineinhalbstündigen Theateraufführung gekappt worden, sie wird sehr selten mitgeteilt. Leider blieb die liebenswerte Gestalt des Apothekers Gieshübler (Thomas Linz), an der Oberfläche, von ihm hatte man in der Inszenierung kaum einen Eindruck. Dagegen spielte Anja Stange die treue Haushälterin Roswitha sehr berührend. Carsten Andörfer versuchte hin und wieder den Fontane’schen Humor durchklingen zu lassen. Besonders bei den alten Briests gelang es. Sie wurden souverän von den erfahrenen Darstellern Christiane Ziehl und Gerd Staiger gespielt. Staiger fungiert auch als Erzähler.
Johanna Geißler ist eine spröde Effi. Ihrer Darstellung des jungen Mädchens hätte man mehr Liebenswürigkeit gewünscht, der jungen Frau und Mutter konnte die Schauspielerin viel Warmherzigkeit und Leidensfähigkeit verleihen, die nicht sentimental wirkte. Die beiden Männer, die Effis Leben grundsätzlich veränderten, waren nicht immer überzeugend. Allzu eindimensional in seiner Dünkelhaftigkeit wurde Instetten von Rudi Lenk gezeigt. Dass der Ehemann Effis seine eigene Marionettenexistenz theoretisch durchschaut, sie aber in der Praxis nicht anwendet, spielte bei Lenk anscheinend kaum eine Rolle. Markus Born war der Lebemann Crampas, ohne ihn so zu zeigen. Man verstand nicht, warum Effi sich seinetwegen in Verwirrung stürzte.
Andörfer erzählte die Geschichte von Effi Briest klar und geradeaus. Obwohl er kein rührendes Frauenschicksal dem Zuschauer bieten wollte, wurde es manchmal durch die Musik sentimental. Das Publikum war von diesem Fontane-Abend aus Wustrau gerührt und dankte mit herzlichem Beifall. Klaus Büstrin
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