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Kultur: Versuchte Zwiesprache

Zeugnisse des Totenkronenbrauchs im Museumshaus „Im Güldenen Arm“

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Zeugnisse des Totenkronenbrauchs im Museumshaus „Im Güldenen Arm“ Von Klaus Büstrin „Mein Leser, hier siehest Du Cronen, so von hoher Hand her kommen, welche zum Andencken der Hochwohlgebohrnen fräulein, Fräulein Johannen Charlotten Sophien von Minkwitz, so auf diese Welt all = zu Groß Jehser am 23. Octobr 1736 gebohren, und im Herrn selig verschieden den 30. December 1751. Sie trägt nun schon die ewge Cron.“ Lesen kann man diesen Text der Familie Minkwitz auf einem repräsentativen Totenkronenbrett in der Dorfkirche von Groß Jehser in der Niederlausitz. Derzeit aber ist dieses Brett, eine Art Epitaph, innerhalb des diesjährigen Themas von Kulturland Brandenburg „1000 Jahre Christentum“ im Museumshaus „Im Güldenen Arm“, Hermann-Elflein-Straße 2, zu sehen. Nur die Krone, die auf der Konsole stand, ist verloren gegangen Die Kunsthistorikerin Dr. Sylvia Müller beschäftigt sich schon seit längerem mit den vergessenen Denkmälern der Liebe. Ihr Forschungsgebiet ist das Land Brandenburg. Totenbretter haben sich eher erhalten, die Kronen jedoch weniger. Schon Theodor Fontane hat bei seinen Besuchen in vielen Kirchen in der Mark feststellen müssen. „Es ist jetzt Sitte geworden, die Kirchen dieses Schmuckes zu berauben. ,Es sind Staubfänger“, so heißt es, ,es stört die Sauberkeit“ ... Man nimmt den Dorfkirchen oft das Beste damit, was sie haben, vielfach – auch ihr Letztes.“ Der Dichter war der Ansicht, dass die Totenkronen den Gotteshäusern Leben und Poesie gaben. Dieses besondere Totengedenken wurde dann, wenn die Angehörigen nicht mehr unter den Lebenden waren, meist aus den Kirchen verbannt. Diese stille und nachdenkliche Ausstellung, die von der Unteren Denkmalbehörde Potsdam initiiert wurde, gibt viel Wissen über ein Stück märkische Kulturgeschichte weiter. Totenkronen waren seit vielen Jahrhunderten bis 1945 überall in Deutschland üblich. Sie wurden aus künstlichem grünen Blattwerk und Blumen, mit weißen Rosen und Lilien, blauen Vergissmeinnicht, Flitter sowie Seidenbändern gebunden. Zunächst gab man sie als Kopfschmuck den Toten mit ins Grab, dann wurden sie mehr und mehr auf den Sarg gelegt und nach der Beisetzung auf die Totenbretter in der Kirche. Manche Konsolen bedachte man sogar mit kleinen Gartenzäunen, beispielsweise in der Dorfkirche von Herzberg. Für die ledig Verstorbenen – Frau und Mann – waren sie gedacht. „Sie wurden diesen als Ersatz für die entbehrte Brautkrone und als Lohn für ein jungfräuliches Leben verehrt“ schreibt die Kuratorin im Faltblatt der Ausstellung. Mit der Krone sollte der Verstorbene zur Himmelshochzeit geführt werden. Über ein „Ledigen-Begräbnis“ in der Niederlausitz im Jahre 1908 wird berichtet, dass solch „ein Begängnis wie eine Hochzeit aufgefasst wurde.“ Unbescholtene Junggesellen, die Myrthensträusse an den Jackenrevers hatten, trugen den Sarg durch eine festliche Ehrenpforte. Die Tote wurde wie eine Braut geschmückt und die Gäste sagten nicht „Welch schöne Leiche“, sondern „Welch schöne Braut“. Totenkronen haben die Zeiten nur selten überdauert. In der Marienkirche Bernau findet man noch zehn dieser Gebilde. Sie bedürfen alle einer dringenden Restaurierung. In Potsdam und Umgebung sind keine Kronen auf uns gekommen, dafür aber Totenbretter, vier in Nattwerder, zwei in Golm und 22 in Ferch. Stadtkonservator Andreas Kalesse hat ein großes Augenmerk auf diese „Denkmäler der Liebe“, weil sie mit besonderer Innigkeit über eine versuchte Zwiesprache mit den Toten erzählen.

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