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Kultur: Verwahrt und weggeschlossen

Politische Häftlinge im Strafvollzug der DDR. Die Strafvollzugsanstalt Brandenburg

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Politische Häftlinge im Strafvollzug der DDR. Die Strafvollzugsanstalt Brandenburg Die Wände der Landeszentrale für politische Bildung schmücken zur Zeit Recyclingcollagen und unzählige Fotos von Mülltonnen – Behälter zur Entsorgung und Verwahrung von Unrat. Assoziationen zum Thema des Buches von Leonore Ansorg „Politische Häftlinge im Strafvollzug der DDR: Strafvollzugsanstalt Brandenburg“ lassen sich unschwer herstellen. Soeben beim Metropol Verlag in der Schriftreihe der Stiftung Brandenburger Gedenkstätten erschienen, informiert der umfangreiche Forschungsbericht (400 Seiten!), der in Kooperation mit dem Zentrum für zeithistorische Geschichte entstand, über Strafverfolgungspolitik und Haftbedingungen der politischen Gefangenen in der DDR. Politische Häftlinge gab es offiziell und eigentlich in der DDR nicht. Und so mussten sie verwahrt und weggeschlossen werden, um das homogene Bild der Angepassten nicht zu stören. Daher wurden die politischen Häftlinge den Kriminellen zu- und untergeordnet, mit denen sie die Zellen teilen mussten. Die Traumata der Haft haben bei den Opfern irreparable Schäden hinterlassen. Der Bericht von Leonore Ansorg wurde in drei Zeitabschnitte unterteilt: Mit äußerster Härte – 1950 bis Ende der 50er Jahre, Erziehen statt Ausschließen – Anfang der 60er bis Anfang der 70er Jahre, Von der Willkür zur scheinbaren Gesetzlichkeit – Mitte der 70er bis Ende der 80er Jahre. Diese drei Abschnitte bezeichnen drei wichtige Entwicklungstendenzen der DDR-Haftpolitik. Die Hauptquellen für den Forschungsbericht waren die Akten des MfS, persönliche Berichte, Briefe und Interviews der Häftlinge. Die Geschichte der Haftanstalt Brandenburg war bisher nur durch die antifaschistischen Opfer bis 1945 bekannt, die von den SED-Funktionären zu verschiedenen Anlässen Ehrungen erfuhren. Das zweite dunkle Kapitel der Geschichte der Haftanstalt nach 1945 blieb bisher dunkel, obwohl es trotz des Schweigeverdiktes der entlassenen Häftlinge ein Bescheidwissen gab, so Ansorg. Die ersten Häftlinge nach 1945 waren sowjetische Gefangene des SMT (Sowjetisches Militärtribunal). Anfang der 50er Jahre wurde der Strafvollzug dem Ministerium des Innern unterstellt. Das sowjetische Vorbild wirkte weiterhin nach. Intention war eine militärisch organisierte Repression der Strafgefangenen, deren Ziel die Disziplinierung der Häftlinge, Brechung des Willens und Zerstörung des Selbstbewusstseins waren. Brandenburg-Görden war als größte Haftanstalt für besonders harte Bedingungen vorgesehen und geeignet. Einzelhaft, Arbeitsverbot und Arrest waren übliche Maßnahmen zur Ahndung von Vergehen im Strafvollzug. Jeder Kurswechsel der SED-Führung war auch im Strafvollzug wahrnehmbar. Nach dem 17. Juni und dem Aufstand in Ungarn 1956 gab es kurzzeitige Abmilderungen, die aber sehr schnell wieder korrigiert wurden. Nach 1967 rückte die Umerziehung der Gefangenen in den Vordergrund. Erzieher wurden eingestellt. Staatsbürgerkunde unterricht. Die Häftlingsarbeit, nur karg bezahlt, wurde zu einem wichtigen Industriezweig der DDR. Am Ende der 60er Jahre nahm die Zahl der kriminellen Häftlinge in Brandenburg-Görden zu. Oppositionelle wurden zunehmend vom MfS „draußen“ präventiv „betreut“. Die politischen Vergehen waren in dieser Zeit überwiegend Republikflucht und Ausreiseversuche. 1977 wurde ein Strafvollzugsgesetz nach UNO-Vorgaben erlassen, das geringe Erleichterungen für die Häftlinge brachte. Im Dezember 1989 fand in der Haftanstalt Brandenburg-Görden die erste Pressekonferenz statt. Im gleichen Monat erfolgte die Generalamnestie der politischen Häftlinge durch die Modrowregierung. In der anschließenden Diskussion, an der auch ehemalige Häftlinge teilnahmen, wurde vorrangig nach der juristischen Aufarbeitung gefragt. Die bisher als gescheitert zu betrachten wäre. 1994 habe ein erster Prozess gegen einen ehemaligen Bediensteten der Brandenburger Haftanstalt stattgefunden, der mit einer zweijährigen Bewährungsstrafe endete. Staatsverbrechen wären mit rechtsstaatlichen Mitteln nur schwer zu verurteilen. Eine Tatsache, die nicht nur für die Opfer schwer annehmbar ist. Barbara Wiesener

Barbara Wiesener

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