Die Dreharbeiten zu der Komödie „Ein irrer Duft von frischem Heu“ waren belastet. Nicht ideologisch, aber meteorologisch. Als sich das Drehteam der DEFA 1977 in die freie Natur begab, um den goldenen Sommer einzufangen, war es bereits November. Aus den Mündern der Darsteller stiegen Rauchfahnen auf. Da half kein filmisches Tricksen, die Dreharbeiten mussten pausieren und in den Mai verlegt werden – wo es wiederum kein Heu gab. Doch das wurde rangekarrt und das leichte Frösteln der Schauspieler hingenommen. Neben Ursula Werner stand damals Peter Reusse vor der Kamera. Wenigstens an ihr konnte er sich wärmen.
Nicht nur daran wird sich der Schauspieler sicher erinnern, wenn er am kommenden Donnerstag ins Filmmuseum kommt. Dort wird die kleine Reihe mit Filmen von Schauspielern fortgesetzt, die in dem vom Museum herausgegebenen Buch „Der ungeteilte Himmel“ über ihr Leben sprechen. Der ausgewählte DEFA-Streifen „Ein irrer Duft von frischem Heu“ streckte Peter Reusse damals zu Boden. Denn bei den Dreharbeiten fiel ihm ein dreieinhalb Kilo schwerer Flaschenzug auf den Kopf. Gerade so dem Tod von der Schippe gesprungen, spielte er am nächsten Tag erneut den heiteren Parteisekretär. Denn Disziplin gehört nun mal zum Schauspielerleben. Die wurde dem gebürtigen Teltower (Jahrgang 1941) schon beim Studium an der Filmhochschule Babelsberg eingeimpft, wo er sich anfangs sträubte, eine Einwilligung für den NVA-Dienst zu unterschreiben. Als einziger. Doch schließlich beugte auch er sich – ansonsten wäre der Traum vom Schauspieler vorbei gewesen.
Peter Reusse reflektiert in dem Buch „Der ungeteilte Himmel“ sein Schauspielerleben in der DDR durchaus kritisch: „Es gab nur wenige Lichtpunkte, dafür viel Miefigkeit.“ Er erlebte, wie 1965 ein Film mit ihm in der Hauptrolle verboten und er danach lange kaltgestellt wurde. Als Reusse diesen „Regalfilm“ „Denk bloß nicht, dass ich heule“ das erste Mal sah, gab es die DDR nicht mehr. Dafür las er in der „taz“ eine Kritik, die ihn als „James Dean des Ostens“ feierte. „Vielleicht hätte dieser Film einen ganz anderen Weg für mich bedeutet?“, fragte sich Reusse, der bei der DEFA zumeist auf den Typen des netten Jungen festgelegt wurde. Dem entkam er gekonnt am Deutschen Theater, wo er 20 Jahre auf der Bühne stand.
Auch nach der Wende bekam Peter Reusse Aufträge, arbeitete mit Aznavour und Mathieu Carriere. Doch sein künstlerischer Akku war leergelaufen. Heute baut er Keramiken und schreibt Bücher. Aus seinem „Da capo für die Leiche. Schauspielergeschichten“ wird er am Donnerstag um 19. 30 Uhr im Filmmuseum lesen. Und „Ein irrer Duft von frischem Heu“ wird erneut versuchen, der Kälte paroli zu bieten. Heidi Jäger
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