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Kultur: Viel rumgerannt

Die Berliner Band Pankow geht auf Herbstreise. Tourstart ist am morgigen Freitag in Potsdam

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Es ist mal wieder so weit, ließ die Band vor Tourstart verlauten. Pankow, eine der angesagtesten Berliner Bands aus DDR-Zeiten, gehen im November auf Tuchfühlung mit ihren Fans – auch wenn sie diesmal kein neues Album dabeihaben. Die Songs aus mittlerweile 33 Jahren Bandgeschichte werden ihnen sicher nicht ausgehen.

Los geht’s bereits am morgigen Freitag im Potsdamer Waschhaus. Neben der Stammbesetzung André Herzberg, Jürgen Ehle, Stefan Dohanetz und Kulle Dziuk ist auch Gründungsmitglied Jäcki Reznizek, jetzt Bassist bei Silly, dabei. Angefangen hat alles 1981, ein wenig aus der Not heraus. Als die Sängerin Veronika Fischer sich endgültig in den Westen verabschiedete und bereits Bandmitglied Franz Bartsch abgehauen war, mussten die Übrigen der Fischer-Begleitband überlegen: Aufhören oder weitermachen?

Es ging weiter. André Herzberg wurde neuer Sänger und Frontmann. Die Band brauchte auch einen neuen Namen: Pankow verwies auf Ostberliner Hinterhofmilieu, andererseits steckte das Wort Punk drin. Das war ihr musikalisches Zuhause: Musik dicht dran am Menschen, an den jungen Leuten, klare Worte statt verklausulierter, metapherngeladener Texte. Promt stieß den Kulturfunktionären der DDR unangenehm auf, dass hier eine Band benannte, was die jungen Menschen im Land nervte. Das erfolgreiche Rockmusical „Paule Panke“, in dem ein Tag aus dem Leben eines Lehrlings beschrieben wird, fiel beim Komitee für Unterhaltungskunst glatt durch. Der „Entwurf Mensch“ sei zu klein geraten – Paule sei ein „chronischer Miesmacher, Nörgler und Muffel“ urteilte die Schriftstellerin Gisela Steineckert. Doch genau das kam bei den Fans gut an, noch dazu, dass die Band sich fortbewegte vom Liedhaften zur Rockmusik. Die Rollings Stones des Ostens nannte man die Jungs aus Berlin. Sie wollten „Keine Stars“ sein, wie es in einem Song heißt, und wurden es dennoch oder gerade deshalb. Sie füllten Konzertsäle und durften bis 1989 fünf Alben produzieren – gegen alle Widerstände fanden sie ihren Platz in der DDR-Rockmusikszene.

Wie andere Bands – Rockhaus oder Silly – griffen sie Stimmungen und Themen auf, die manchmal ziemlich direkt, manchmal erst beim zweiten Hinhören vom Frust der DDR-Bürger erzählten. Der Song „Langeweile“ von 1988 mit den provokanten Textzeilen „Dasselbe Land zu lange gesehn, dieselbe Sprache zu lange gehört. Zu lange gewartet, zu lange gehofft. Zu lange die alten Männer verehrt. Ich bin rumgerannt, zu viel rumgerannt. Zu viel rumgerannt. Und ist doch nichts passiert.“ Das war unmissverständlich und erregte bei der SED-Führung Missfallen – veröffentlicht wurde er dennoch.

1998 bis 2004 war vorübergehend Bandpause, ein paar Jahre später sollte endgültig Schluss sein. Zum 30-jährigen Bühnenjubiläum kam man wieder zusammen, es gab ein neues Album: „Neuer Tag in Pankow“ mit kleinen Alltagsgeschichten, von Verlusten, Nischen und Träumen, vom Wiederfinden, von einem durchgerüttelten Leben. Voller Pankow-Rock, der sich sperrig und druckvoll, aber doch irgendwie gereift in Herz und Ohren bohrt. Steffi Pyanoe

Pankow spielen am morgigen Freitag um 21 Uhr im Waschhaus in der Schiffbauergasse. Der Eintritt kostet 22 Euro.

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