
© JKP/Schermer/dpa
Antilopen Gang beim Potsdamer Hochschulsommerfest: „Viel Wahnsinn macht erfolgreich“
Koljah von der Antilopen Gang über Erfolg, die rebellische Elite und Spaßkultur mit politischem Inhalt. Am Samstag spielt die Gang auf dem Hochschulsommerfest.
Stand:
Koljah, vor drei Jahren kannte die Antilopen Gang nur ein auserwählter Kreis, jetzt sind Sie gerade auf Tour – inklusive großer Events wie „Rock im Park“ und „Rock am Ring“ – und fast überall ist alles ausverkauft. Macht so viel Erfolg eigentlich wahnsinnig?
Vielleicht ist es ja auch genau andersrum: Viel Wahnsinn macht erfolgreich. Das ist natürlich auch für uns krass, dass sich das alles jetzt ziemlich rasant vergrößert, weil wir nicht erst seit gestern durch die Weltgeschichte reisen und Musik machen, sondern eigentlich schon seit zehn Jahren in jedem Jugendzentrum jedes kleinen Kaffs mal gespielt haben.
Gab es denn so einen Durchbruchsmoment, bei dem Sie festgestellt haben: Oh, aus der Nummer mit den Jugendzentren sind wir jetzt raus?
Das war tatsächlich die letzte Tour zum neuen Album, als wir gemerkt haben, dass die Läden ausverkauft sind, wir teilweise in größere umziehen mussten, Zusatzkonzerte gemacht haben. Früher waren wir froh, wenn mal 50 Leute bei einem Auftritt waren.
Das letzte Album „Aversion“ vom November ist ja auch von vielen Medien besprochen worden.
Ja, das ist sogar in den Charts gelandet, die Videos wurden viel geklickt. Aber das ist auch etwas Irreales - aber sobald man merkt, dass man vor 700 Leuten, Tendenz steigend, spielt, dann wird es auf einmal ganz real.
Realisiert man da, dass es keinen Weg zurück gibt? Wünscht man sich da nicht manchmal wieder ein kleines Konzert vor 50 Leuten, um zu wissen, wie das ist?
Das wissen wir noch ganz genau, wie das ist. Jetzt auf der Tour waren auch noch kleinere Sachen dabei, weil wir nicht bewusst von null auf hundert gegangen sind. Wir wollten ja nichts überstürzen, sondern es langsam angehen lassen. In Ulm haben wir etwa vor 120 Leuten gespielt. Wir waren aber schon immer so, dass wir auch mal in einem Wohnzimmer spielen oder irgendwo unter falschem Namen. Das lassen wir uns auch nicht nehmen.
Waren Sie denn in so einem kleinen Rahmen auch schon in Potsdam?
Natürlich waren wir auch in Potsdam, das ist schon ein paar Jahre her, das waren aber eher so kleine Hip-Hop-Jams. Wo das genau war, das weiß ich jetzt nicht mehr. Ich erinnere mich nur, dass wir irgendwo im Grünen waren. In letzter Zeit sind wir aber bei Radio Fritz ein- und ausgegangen. Von Potsdam selbst haben wir gar nicht viel mitbekommen, immer nur von der S-Bahn-Station zum Radiosender.
Am 30. Mai sind Sie ja wieder da, die Antilopen Gang spielt als Headliner beim Potsdamer Hochschulsommerfest, ein großes Open Air mit freiem Eintritt – und viele Studierende werden Sie bestimmt auf Songs wie „Fick die Uni“ reduzieren. Hat denn diese studentische Kultur überhaupt noch etwas Rebellisches?
Nein, eigentlich nicht. Die Zeiten sind wohl vorbei. Es gibt zwar immer wieder Versuche Einzelner, eine Rebellion loszutreten, aber der Großteil der Studierenden ist darauf bedacht, sein Bachelor- oder Masterstudium durchzuziehen, um irgendwann in einem guten Job zu landen. Die Zeiten von 1968 sind vorbei.
Wo soll denn die rebellische Elite mit den neuen Ideen herkommen, wenn nicht von der Uni?
Das hat halt immer mit der gesellschaftlichen Situation zu tun: Wenn sich da irgendetwas verschärft oder zuspitzt, könnte es auch so was wie eine Rebellion geben – wobei ich unsicher bin, ob das dann wirklich von Studierenden oder nicht doch von einer anderen Gruppe ausgeht. Außerdem ist Rebellion ja nicht immer was Gutes: Manche Rebellion kommt mir noch bescheuerter vor als das, wogegen sie sich richtet.
Sie haben ja selbst in Göttingen studiert.
Ja, und manche Studi-Demos fand ich selbst Banane. Die sind einmal im Rahmen dieser Bildungsproteste in die Aula rein und haben irgendwelche Sachen kaputtgeschlagen. Das fand ich dann auch eher traurig. Eine Rebellion ist doch kein Gütesiegel, und manchmal bin ich mir nicht sicher, ob ich mir überhaupt eine wünsche – gerade wenn ich mir die Leute ansehe, die Rebellen sein wollen.
Sie werden ja kaum widersprechen, wenn man Sie als linke Hip-Hop-Band bezeichnet. Es gibt diesen „Zeckenrap“-Stempel, den man ja auch zelebrieren kann – so wie Sie oder die Berliner Band Zugezogen Maskulin. Ist das eine bewusste Antithese zu der vorherrschenden Spaßkultur?
Vielleicht, aber das ist nicht ganz bewusst von uns so ausgedacht worden. Bei uns erscheint vieles im Nachhinein oft durchdachter, als es eigentlich ist. Wir gehen da eher intuitiv ran: Wir haben nie formuliert, dass wir eine bestimmte Gegenbewegung zu einer Fraktion, etwa im Hip-Hop, sein wollen. Auf eine gewisse Art und Weise sind wir das aber geworden, weil wir vieles anders machen. Wir gehen da aber nicht mit einer Programmatik ran, sondern das sprudelt aus unseren Köpfen.
Das klingt doch aber nach Abgrenzung.
Wir haben uns ja bei unserem Album „Aversion“ von allem abgegrenzt, wie im Song „Anti Alles Aktion“. Wir grenzen uns schon ab, müssen uns aber auch nicht innerhalb des Hip-Hop als die Alternative verkaufen.
Da finden sich aber ganz bewusste, klar formulierte Statements, zum Beispiel gegen Homophobie im Hip-Hop. So etwas bietet doch auch ein Identifikationspotenzial.
Ja, weil das unsere Standpunkte sind. Aber das geschieht eher aus der Idee heraus, uns mitzuteilen, anstatt Bewegungen zu formulieren. Es ist schon schön, wenn Menschen uns zuhören, zu unseren Konzerten kommen und etwas mit uns anfangen können. Aber wenn wir einen Song machen, dann denken wir nicht darüber nach, was wir damit bezwecken, sondern worauf wir Bock haben. Am Ende waren wir selbst überrascht, was wir da losgetreten haben.
Wenn man an den Song „Beate Zschäpe hört U2“ denkt, der ja die aktualisierte Banalität des Bösen aufgreift, dann bekommt der doch eine gesellschaftliche Relevanz, wenn der so oft geklickt und geteilt wird. Dann übernimmt man doch eine Wortführerrolle.
Das ist etwas, was wir tatsächlich nicht wollen. Wir sehen uns nicht in einer Rolle als Wortführer oder Vorbildfunktion, damit können wir nichts anfangen. Wenn man aber auf einer Bühne steht und Inhalte vermittelt, die Leute einem zuhören, dann kommt man zwangsläufig in eine Position, in der Leute vielleicht auch Sachen nachplappern. Das ist aber nicht unserer Anspruch: Wir sind da eher auf einem Kunsttrip, wir sagen: Das ist unsere Kunst, macht ihr damit, was ihr wollt. Wir haben zwar politische Texte, sind aber trotzdem Künstler und Musiker. Man kann uns nicht als eine politische Gruppierung bewerten.
Man kann also Spaßkultur durchaus mit politischem Inhalt verknüpfen, ohne die Glaubwürdigkeit zu verlieren?
Bei uns auf Konzerten ist es so, dass wir Bock haben, mit den Leuten durchzudrehen und zu feiern. Das ist für mich gar kein Widerspruch, was für Texte wir da haben. Und bei Songs wie „Anti Alles Aktion“ kann man wunderbar pogen, gerade weil er eine Kampfansage gegen alles ist.
Der Verschwörungstheoretiker Ken Jebsen hat ja letztes Jahr versucht, Sie vor Gericht zu ziehen, weil er im Song „Beate Zschäpe hört U2“ zitiert wird - und ist damit letztlich gescheitert. Befeuert einen das, auch mal Stachel im Fleisch zu sein?
Es hat uns auf jeden Fall nicht eingeschüchtert. Wir haben nicht gedacht, dass wir jetzt kürzertreten und aufpassen müssen, sondern das hat uns bestärkt, im Recht zu sein. Und wir stehen auch zu allem, was wir tun und sagen. Aber wir würden auch nicht auf Teufel komm raus und nur um der Provokation willen Leuten ans Bein pissen. Wenn aber mal wieder was ist, was uns auf den Geist geht, und wir die Worte dazu finden, dann werden wir die der Welt auch kundtun.
Apropos Welt: Sie bemühen ja auch drastische Bilder. Hat man da nicht Angst, wo es mit der Welt hingehen soll?
Klar, es gibt ja ganz viele beängstigende Tendenzen auf der ganzen Welt. Es ist ja nicht so, dass wir hier das Paradies auf Erden haben. Aber ich mache mir schon Sorgen, ob das in Deutschland die Pegida-Demonstrationen sind oder ein stärkerer Antisemitismus, formuliert gerade im Rahmen dieser Pro-Gaza-Demos, oder wenn man sich in globaler Perspektive veranschaulicht, was dieser IS gerade macht – da könnte man eine ganze Reihe beängstigender Sachen aufzählen. Aus diesem Ohnmachtsgefühl und dieser gewissen Resignation ist auch viel unserer Musik entstanden, sodass wir auch ein Ausdrucksmittel gefunden haben, um damit umzugehen.
Gerade auf der letzten Platte merkt man das.
Ja, wir haben auch mit Antifa-Leuten rumgehangen und sind auf Demos gewesen, aber irgendwann wusste man nicht mehr so recht, was das eigentlich bringen soll. Aber aus so einer gewissen Ausweglosigkeit entsteht ganz oft gute Musik.
Kann man nicht Ausweglosigkeit auch in Optimismus umdeuten?
Gesamtgesellschaftlich würde es mir schwerfallen, etwas Optimistisches zu formulieren. Auf der individuellen Ebene haben wir aber mit unserer Musik eine Nische gefunden, um Spaß zu haben und uns verwirklichen zu können. Aber das hat selbstverständlich nichts mit der Weltlage oder gesellschaftlichen Entwicklung zu tun. Man versucht eher, sich in seinem eigenen kleinen Leben möglichst angenehm einzurichten – aber immer mit dem Wissen, dass es anderen Leuten scheiße geht. Das ist so ein Widerspruch, den man auch nicht auflösen kann. Der ist da, mit dem muss man irgendwie umgehen.
Koljah, vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Oliver Dietrich
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: