Kultur: Vierhändig
Künstler vom Neuen Atelierhaus Panzerhalle Groß Glienicke: die Malerin Bettina Semmer
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Ihr großes Thema ist das Porträt. Vor gar nicht langer Zeit veranstaltete die Malerin Bettina Semmer zusammen mit einer befreundeten Künstlerin in Potsdam eine Mailing-Aktion, bei der die beiden auf der Suche nach neuen Auftraggebern die Haushalte rund um den Heiligen See mit Katalogen nebst Anschreiben versorgten. Die Rechnung ging auf: Mit ihren Porträts kann die Berliner Malerin Bettina Semmer offensichtlich auch in Potsdam punkten. Vor kurzem hat nun die Künstlerin, die auch immer wieder als Ausstellungskuratorin in Erscheinung tritt, ihr Atelier von Berlin in den beschaulichen Potsdamer Norden verlegt und entwickelt in der Ruhe der Waldsiedlung bei Groß Glienicke neue Konzepte und Ideen.
Die Farbe der Leinwände, die Bettina Semmer zusammen mit Dritt- und Viertklässlern der Peter Paul Rubens-Grundschule in Berlin-Friedenau in einem gemeinsamen Projekt bemalt hat, ist derweil noch nicht wirklich trocken. Ihre Porträts der Schüler wird die Künstlerin in diesen Tagen in die Leinwände einfügen, die die Kinder malten. Sie haben in den zurückliegenden Monaten selbst erfahren können, was es heißt, wie ein Künstler zu arbeiten und die fertigen Bilder am Ende in einer Ausstellung zu präsentieren. Die Schüler ließen sich mit Feuereifer auf die Künstlerrolle ein. Entstanden ist auf diese Weise eine Kooperation, deren Werkstattcharakter die Künstlerin auf die Idee gebracht hat, Projekte dieser Art öfter an Schulen durchzuführen.
Nach sieben Jahren Schuldienst gönnt sich die international anerkannte Malerin, die sich nebenbei auch zur Kunsterzieherin qualifizieren ließ, nun eine Auszeit. Die Agenda des vor ihr liegenden Sabbatjahres liest sich indes alles andere als beschaulich. Ein Künstlerkongress in New Orleans, ein Performancefestival in Kolumbien und ein längerer Arbeitsaufenthalt in Sevilla sind bereits fest eingeplant. Der Austausch und die Begegnung mit anderen stimulieren und befruchten die eigene Arbeit. Den Reiz, im künstlerischen Prozess ein oder mehrere Partner mit einzubeziehen, entdeckte Bettina Semmer mehr oder weniger zufällig. Anfang der 90er Jahre nahm sie ihr Kleinkind mit ins Atelier, um es betreuen und dabei gleichzeitig malen zu können. Die kleinen Hände von Babette hinterließen auf der Leinwand wunderschöne abstrakte Farbspuren. Fortan malten Mutter und Tochter zu zweit: Während Babette die untere Hälfte der Leinwand bearbeitete, ließ ihre Mutter darüber Porträts ihrer Tochter entstehen oder fügte Wortbilder hinzu.
Diese großformatigen Leinwände, die „Assisted Painting Series“, die seinerzeit in London entstanden, entfalten bis heute eine starke Wirkung, nicht zuletzt auch bei anderen Künstlern. Damals hat die malende Mutter unwillkürlich eine Methode ergriffen, die sie mittlerweile ganz bewusst einsetzt: Es hat damit zu tun, die Kontrolle über ein Bild ein Stück weit aufzugeben und andere in den Prozess mit hinein zu nehmen. An die Stelle der Tochter sind längst andere getreten. Auch der Auftraggeber eines Porträts ist aus der Sicht der Künstlerin ein Gegenüber, der sich in den Prozess einschaltet, ihn möglicherweise versucht zu lenken und mit zu gestalten.
Bettina Semmer empfindet diese Einmischung nicht als eine Bedrohung, sondern als eine Chance und ein Bereicherung. Was sie fasziniert, ist die Begegnung mit anderen Menschen. Immer wieder sucht Bettina Semmer Orte und Situationen auf, in denen sie Menschen an ihrem künstlerischen Prozess aktiv teilhaben lässt. Das kann mitten in der Berliner City geschehen, wo die Malerin eine große Leinwand aufstellt und die Passanten auffordert zu malen.
In einem anderen Fall setzte sich die Künstlerin für einige Stunden in das Schaufenster eines Secondhand Ladens und eröffnete den Vorbeigehenden die einmalige Gelegenheit, sich spontan porträtieren zu lassen. Die in kürzester Zeit entstandenen Leinwände füllten nach und nach das Schaufenster. Der Übergang zwischen Malerei und Aktion oder Performance ist bei Bettina Semmer fließend. Das was auf der Straße passiert, ist im geschützten Atelierraum nicht möglich. Sie geht auf die Kurfürstenstraße und sucht den Kontakt zu den Prostituierten. Einige darf sie fotografieren, andere nicht. Nicht wenige von ihnen fassen Vertrauen, folgen der Einladung der Künstlerin, auf vorbereiteten Bildvorlagen zu malen und fangen an, etwas von sich preiszugeben.
In vielen Fällen steht am Ausgangspunkt der Malerei Bettina Semmers ein Foto. Aufnahmen von Badenden am Schlachtensee gingen später in großen farbigen Leinwänden auf. In manchen Bildern verschränkt die Künstlerin gegenständliche und abstrakte Malerei ineinander. Oft sind es Übergangssituationen, manchmal auch Intimsituationen, die sie auf die Leinwand bannt. Ihre Kunst versteht sich mehr und mehr als eine Einladung zur Zusammenarbeit und verspricht ein Abenteuer, das nur im Miteinander entstehen kann.
Almut Andreae
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