Kultur: Voller Sommerschwung
Die Staatskapelle Dresden begeisterte beim Abschlusskonzert vor dem Neuen Palais
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Wann war letztmalig ein Weltklasse-Orchester vom Rang der Sächsischen Staatskapelle Dresden in Potsdam zu Gast? Ende der vierziger Jahre kamen noch die Berliner Philharmoniker in die Bildergalerie Sanssouci und in den Nikolaisaal. Natürlich waren und sind hervorragende Klangkörper immer wieder in der Landeshauptstadt zu erleben, aber die Sächsische Staatskapelle gehört einfach zu den Ausnahmeorchestern der Welt. Aktueller Beweis dafür ist, dass es künftig unter der Leitung von Christian Thielemann das Hausorchester der renommierten Osterfestspiele in Salzburg wird.
Die Staatskapelle gastierte am späten Sonntagabend zum Abschluss der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci vor dem Neuen Palais. Rund 2400 Besucher fanden sich ein, um feurige Musik von der Bühne und ein stimmungsvolles Feuerwerk, das sich über Park und Schloss ergoss, zu erleben. Das Programm mit spanischer Musik hatte auf den ersten Blick nichts mit dem Festspielthema „Dresden – Sachsens Glanz trifft Preußens Gloria“ zu tun. Gern hätte man Werke aus der reichen Dresdner Musiktradition gehört, beispielsweise von Weber, Wagner oder Richard Strauss.
Doch am Abend zuvor war der Klangkörper in seiner Heimatstadt zugange und absolvierte dort dasselbe Programm, wie er es nun auch in Potsdam vorstellte. Doch man konnte mit dem Gastspiel der Elbestädter auf die jahrhundertealte und reiche Tradition der Hofkapelle bis zur Staatskapelle verweisen. Und somit wurde wieder an das Festspielthema angeknüpft.
Die musizierten Werke aus Argentinien und Spanien sind ungemein mitreißend, unterhaltend und voller Sommerschwung. Wegen ihrer oftmals folkloristisch anmutenden Klänge, wegen der Dynamik und Rhythmik erfreuen sich die Kompositionen von Alberto Ginastera, Joaquin Rodrigo und Manuel de Falla großer Beliebtheit. Und auch der Jubel der Gäste am Neuen Palais war sehr groß.
Die Werke sind eine enorme Herausforderung für Orchester und Dirigenten. In ihrer Musik erlebt man die ungezügelte, dann auch wieder gezügelte Leidenschaft, die Glut unter der Asche, die die Flammen auflodern lässt, damit die Funken sprühen können.
Für das Konzert konnte die Staatskapelle einen der profiliertesten Sachwalter dieser Musik gewinnen: den Dirigenten Josep Pons, der dem Spanischen Nationalorchester vorsteht. Unter seiner Hand entwickelte die Kapelle eine geradezu überschäumende Klangpracht, doch auch das geheimnisvoll Flirrende sowie die intime Lyrik kamen zum Tragen, bei den vier Tänzen aus dem Ballett „Die Rinderfarm“ des Argentiniers Alberto Ginastera, den beiden Ballettsuiten „Verhexte Liebe“ und „Der Dreispitz“ von Manuel de Falla sowie dem Concierto de Aranjuez von Joaquin Rodrigo. Bravourös musizierten die Dresdner Staatskapelle und ihre hervorragenden Solisten die Werke, ließen ihre Doppelbödigkeit und die leidenschaftliche Ausdruckskraft exzellent zum Klingen bringen.
Als Solisten brillierten die Flamencosängerin Esperanza Fernandez, die in der Suite „Verhexte Liebe“ mit ihrer eher rauen Stimme den zeitlos-schwülen Schwebezustand der Musik zum Klingen brachte sowie der Gitarrist Canizares, der das Rodrigo-Concierto mit dem längst zum Evergreen gewordenen zweiten Satz musizierte. Canizares wusste gemeinsam mit dem Englischhorn, die Atmosphäre des Adagios mit seiner fast morbiden Melancholie aufblühen zu lassen. Es war wie ein Traum, so schön. Aber auch die anderen beiden Sätze, die von burlesker Energie nur so strotzen, brachte der Gitarrist auf den Punkt. Dabei ist Canizares‘ ungemein flexible Leichtigkeit, mit der er sein Instrument und das Werk behandelte, faszinierend.
Das Konzert mit den Dresdnern gehörte zum Höhepunkt der diesjährigen Festspiele. Dies muss man erst toppen, auch bei der Schlössernacht. Doch nicht jedes Orchester kann natürlich die Staatskapelle sein. Klaus Büstrin
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