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Kultur: Vom Leben an der Mauer

Das Potsdam Museum hat mehr als 100 Grafiken auch von Potsdamer Künstlern aus den Jahren von 1975 bis 1989 als Schenkung erhalten

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Das sind Sternstunden für ein Museum. Über 100 Grafiken bekam das Potsdam Museum jetzt von einem Privatsammler aus Berlin geschenkt. „Der Sammler, der anonym bleiben möchte, ist auf uns zugekommen. Er wollte erst unser Haus näher kennenlernen, bevor er sich schließlich entschlossen hat, uns unter anderem historische Grafiken mit Potsdam-Bezug aus dem 18. und 19. Jahrhundert, aber auch Kunstwerke aus dem 20. Jahrhundert zu überlassen, die vor allem den Stadtraum Berlin im Fokus haben“, sagte Museumschefin Jutta Götzmann.

Der Grund, dass sich der Berliner an das Potsdam Museum wandte, lag vor allem in der Galerie Sozialistische Kunst, die zum Bestand des Hauses gehört. In dieser Galerie befinden sich rund 5000 Werke, die von 1975 bis 1989 angekauft wurden. Bei Weitem nicht alles staatstragende Kunst. Auf feinsinnige und kraftvolle Weise erzählen viele der Bilder von Brüchen, Grenzen, Verstümmelungen, aber auch von Wut und Aufbegehren. In dieser Sammlung sind vor allem Arbeiten Potsdamer Künstler, aber auch aus der Berliner Schule sowie von Hallenser oder Dresdner Künstlern enthalten. „Die Berliner Schule ist insgesamt bei uns unterrepräsentiert, obwohl viele Potsdamer an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee studiert haben. Diesen Bereich wollen wir stärken“, so Jutta Götzmann. Da kam die Schenkung mit den vielen Arbeiten Berliner Künstler gerade richtig, zumal es 2014 im Potsdam Museum eine Ausstellung geben wird mit dem Arbeitstitel „Stadt-Bild / Kunst-Raum“. Schwerpunkt ist dabei die Galerie Sozialistische Kunst. „Es geht uns um den Stadtraum als Lebens- und Aktionsraum mit all seinen sozialen und politischen Fragestellungen. Denn die Künstler haben in ihren Bildern ja auch Statements zum System abgegeben.“ Das Museum möchte in dieser Ausstellung Potsdam und Berlin nicht getrennt betrachten, zumal sie ja auch durch das Leben an der Mauer verbunden waren.

Gerade im Hinblick auf diese Ausstellung sei die Schenkung sehr wertvoll, denn der Sammler legte einen seiner Schwerpunkte auf die Stadtlandschaft. Blätter von rund 35 Künstlern, darunter von Roland Nikolaus, der auch Potsdam als Motiv ins Bild rückte, übergab er dem Museum. Ebenso Grafiken von Ronald Paris, aktueller Lebenspreisträger des Brandenburgischen Kunstpreises, und von Gisela Neumann, der gebürtigen Potsdamer Illustratorin, die heute in Berlin lebt, zudem von etlichen Künstlern, die in der Mark Brandenburg arbeiten. „Das durchwebt sich sehr gut“, betont Jutta Götzmann. Die eigenen Bestände konnten dabei ebenfalls ergänzt werden. So kamen zum Beispiel Stadtbilder von Frank Gottsmann dazu, wie „Der Abend“ von 1989 oder „Fundamente Thälmann-Park“ von 1985, in dem er alles andere zeigt als den Thälmann-Park. Es geht um Sehnsuchtsorte, Grenzorte. Und die werden auch in der Ausstellung ihren Niederschlag finden.

Eine besondere Entdeckung in der Schenkung waren für Jutta Götzmann die Grafiken von Gerda Rotermund (1902 bis 1982), einst Meisterschülerin von Emil Orlik und enge Kollegin von Käthe Kollwitz, von der sie auch gefördert wurde. Die künstlerische Nähe der beiden Frauen ist den Arbeiten durchaus anzusehen, wie bei Rotermunds „Obdachlosen“, ein Blatt aus der Serie „De profundis“, die nun dem Potsdam Museum gehören. Die 1952 mit dem Kunstpreis der Stadt Berlin ausgezeichnete Malerin und Grafikerin wurde 1943 in Berlin ausgebombt und musste flüchten. In vielen ihrer Arbeiten thematisierte Gerda Rotermund das Leid nach dem Krieg. Man sieht heimatlos gewordene Menschen, die verloren auf Koffern sitzen, die Ruinen der Stadt als Silhouette im Hintergrund.

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