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Kultur: Vom Leichterwerden
Bei der Langen Nacht der Freien Theater gibt es viel Kurzes, darunter eine Szene aus „Hans im Glück“
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Bertolt Brecht verwarf es als „misslungen, als ein Ei, das halb stinkt“. Der schreibende Rebell war gerade mal 21 Jahre, als er sich an der Adaption des Grimmschen Märchens „Hans im Glück“ versuchte. Doch anders als sein radikaler „Baal“, den er etwa gleichzeitig schrieb, versenkte er sein Märchen halbfertig im Schreibtisch.
Das Wandertheater Ton und Kirschen aus Glindow hat von diesem in den Archiven verschwundenen Fragment auf seiner jüngsten Tournee durch Frankreich erfahren und den Text schließlich im Internet aufgestöbert. „Bis in die Buchläden hat er es nie geschafft“, so Margarete Beiereye, die ganz begeistert von diesem Frühwerk erzählt. „Es ist wie für uns geschrieben. Dieser Hans im Glück hat eine ähnliche Kraft wie Büchners Woyzeck.“ Als sie im April wie die Zugvögel aus dem Süden von ihrer Tournee zurückgekehrt sind, haben sich die Schauspieler an ihrem Stammsitz in Glindow gleich ans Proben gemacht. Der Theaterleiterin gelang es, die bekanntermaßen schwierigen Brecht-Erben dazu zu bewegen, ihnen die Erlaubnis für eine Inszenierung zu erteilen.
Bevor das Märchen im August in Templin zur Premiere kommt, zeigt die international besetzte Theatergruppe einen ersten Ausschnitt schon mal am morgigen Samstag zur neunten Langen Nacht der Freien Theater auf dem Schirrhof vor dem im T-Werk. „Es ist natürlich riskanter, mit etwas total Neuem, das wir noch nie gespielt haben, aufzutreten. Aber das gibt auch einen Ansporn“, so die Theaterleiterin. Die Szenenfolge des Stückes sei wie ein vorgetragenes Lied über ein schreckliches und rührendes Ereignis des Leichterwerdens, bei dem Hans zum Schluss sein nacktes Leben hingibt.
Bei dieser Langen Nacht, die wie ein Schaufenster einlädt, hinaus ins Land zu blicken, was es dort an jungen, innovativen Theatergruppen und unterschiedlichen Spielformen gibt, stehen nicht nur Ton und Kirschen für Überraschendes ein. Auch die anderen Produktionen – mal eigenständig und mal Ausschnitt, mal Rückblick und mal Vorschau – versprechen Spannung zwischen amüsanten Liebesverstrickungen a la Shakespeare und familientauglichem Volkstheater mit den flunker produktionen, die die Freuden und Leiden des Landlebens humorvoll und mit spielerischer Übertreibung in die Stadt bringen: im Schlepptau eine Kuh mit schönen Augen und weichem Fell. Und auch wärmendes Feuer wird es in dieser langen Mainacht geben: mit Jeanette Flexonette und Gregor Wollny, der oft der deutsche Mister Bean genannt wird. Sie machen eine Feuershow, wie sie noch nie einer gemacht hat, so das Versprechen. „Feuermuehlen“ ist ein Kinderspiel mit Schall und Rauch, Licht und Feuer – absurd, komisch und immer boshaft.
Drei der acht Aufführungen sind open air, was den Veranstalter natürlich schon etwas zittern lässt. „Aber wir haben zur Langen Nacht auch schon mal zwischen großen Pfützen in einer wahren Schlammwüste gespielt“, erinnert sich Jens-Uwe Sprengel, Sprecher des veranstaltenden T-Werks. Doch das liegt bereits eine Weile zurück. Inzwischen ist der Schirrhof saniert und und hat den Vorteil eines festen Untergrunds, auch wenn er ansonsten eher an einen Kasernenhof erinnert. Aber mit Feuerkörben und Kunst gefüllt lässt sich dieser Eindruck an so einem Abend bestens wegspielen.
Wenn die Gruppen sich in dieser Nacht mit ihren 20- bis 40-minütigen Aufführungen die Klinke in die Hand geben, geschieht das in der Gewissheit, dass ihre Arbeit zunehmend auch vom Land anerkannt wird. „Es gibt die Tendenz beim Kulturministerium, etwas mehr Geld für die freien Theater einzustellen“, sagt Frank Reich, der Geschäftsführer des Landesverbandes der Freien Theater, auf PNN-Nachfrage. „ Es werden gerade Fördergrundsätze erarbeitet, die kurz vor der Veröffentlichung stehen.“ Bis jetzt wurden die Förderentscheidungen im Ministerum gefällt. „Künftig gibt es eine dreiköpfige Jury, die das Verfahren transparenter macht“, lobt Reich. Es soll nicht nur mehr Geld kommen. Die Summe werde zum ersten Mal auch festgeschrieben. „Damit erhalten wir so etwas wie einen eigenen Haushaltstitel.“ Derzeit gibt es etwa 35 freie Theater im Land, 22 davon sind im Verband organisiert. „Im vergangenen Monat habe ich drei neue Anträge auf Mitgliedschaft erhalten.“ Alle freien Theater wollen natürlich an der öffentlichen Förderung partizipieren und der Verband garantiert ihnen, schnellstmöglich an Informationen zu kommen. Rückenwind bekommen die freien Theater auch von den Besuchern. Rund 25 Prozent der erfassbaren Zuschauer gehen in ihre Vorstellungen, so die Statistik. Und die Tendenz sei steigend, betont Frank Reich. Er verwies aber auch auf das Problem der kommunalen Gegenfinanzierung: denn das Land fördert nur, wenn auch die Kommune mitfinanziert. „In Potsdam läuft das sehr gut. Die festgeschriebene Summe von 200 000 Euro für kulturelle Projektförderung ist dafür ein großartiges Instrument.“ In anderen Städten wie Brandenburg funktioniere das bei Weitem nicht so. „Da stagniert etwas.“
Am Samstag werden jedenfalls Schlüsselszenen und die verschiedenen konzeptionellen Ansätze der Freien Theater gebündelt sichtbar: ein verheißungsvoller Ausflug in die Nacht.
Am Samstag, dem 4. Mai, ab 19 Uhr im T-Werk , Schiffbauergasse, Karten unter Tel.: (0331)719139 oder www.t-werk.de. Im Vorverkauf kosten sie 14/erm. 8/Schüler 6 Euro, an der Abendkasse 16/erm. 10/Schüler 8 Euro
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