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Kultur: Vom Schmetterling zum Königskopf

Die ART Brandenburg zeigt bis Sonntag in der Metropolis Halle Arbeiten von 89 Künstlern

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Dieses temporäre Kunst-„Kaufhaus“ wirbt mit Originalität. Da gibt es gleich am Eingang die wundersam-poetischen Schmetterlinge der Potsdamer Künstlergruppe „Ornament und Versprechen“, die das erste Mal auf der ART Brandenburg vertreten ist. Beim flüchtigen Hinschauen erinnern die aufgereihten Falter an Schaukästen, in denen Sammler ihre Beute gern feinsäuberlich anordnen. Doch diese Schmetterlinge sind auf textilem Untergrund gemalt und tragen als Fühler ein Instrument zwischen den Flügeln. Für 100 Euro kann man den „Paradiesdrachen“, „Spätlingshut“ oder „Wissensstäuber“ aus dem „Orchester der Sinne“ erwerben.

Für 2000 Euro gibt es einige „Kojen“ weiter den Kopf Friedrich II. als Silhouette im Doppelpack, den man auch im heimischen Wohnzimmer zum Leuchten bringen kann. Lichtkünstler Rainer Gottemeier stimmt in seiner „Koje“ auf der bis Sonntag laufenden Messe schon mal mit einer kräftigen Farboffensive auf den 300. Geburtstag des Königs 2012 ein. Und Weiteres ist geplant: Die Knobelsdorff-Häuser in Potsdams Breiter Straße, in denen heute Spielbank und Allianz residieren, möchte er mit einem Zitat des Monarchen über Zufall und Notwendigkeit umwickeln, das dann auf Deutsch und Französisch leuchtend den Weg weist.

Viel gibt es zu sehen, viel zu erfahren, wenn man sich durch den Parcour der Metropolis Halle schlängelt und auch das Gespräch sucht. Immerhin warten 89 Künstler an 69 Messeständen auf neugierige Kundschaft, um für sich zu werben und auch Widerhall zu bekommen: von Besuchern und Kollegen. Das Arbeiten im Atelier ist schließlich oft eine einsame Sache.

Die von einer Jury aus 128 Bewerbern benannten Maler, Fotografen, Keramiker, Bildhauer, Video- oder Installationskünstler spiegeln Qualität und Experimentierfreude, die sich über das ganze platte Land verteilt, wie der Vorsitzende Herbert Schirmer bei einem Presserundgang sagte. Mit notwendigem Humor habe die fünfköpfige Kommission trotz Ermüdungserscheinungen versucht, auch noch die letzten Einreichungen korrekt zu beurteilen. Und die kamen aus allen Ecken Brandenburgs. Nur die Niederlausitz habe sich zurückgehalten. Dafür trumpften Prignitz und Uckermark um so mehr auf. „Gerade die Zuzügler aus Berlin mischen diese ländlichen Regionen positiv auf und beleben sie durch ihre Experimentierfreude“, so Schirmer.

Da die wenigsten Künstler von Galeristen vertreten werden, ist diese alle zwei Jahre stattfindende Messe eine gute Plattform, nach außen zu treten. Und die Besucher honorieren dieses geballte Angebot durchaus: Waren es 2005 bei der ersten ART noch 2500 Besucher, kamen bei der letzten bereits 3500. Und manch Künstler konnte durch diese Massenofferte sein oft spärliches Einkommen durchaus aufbessern. „Insgesamt gab es 2009 Umsätze im sechsstelligen Bereich“, so Daniela Dietsche, Projektleiterin der ART Brandenburg. Ganz umsonst gibt es diese Präsentationsmöglichkeit natürlich nicht. Die sechs Quadratmeter-Kojen kosten 270 Euro. Wer nicht im Verband ist, zahlt 150 Euro mehr. Ohne Unterstützung durch die öffentliche Hand müssten die Künstler allerdings noch eine Null dran hängen, räumt die Projektleiterin ein. Seit es die Messe gibt, sei die Mitgliederzahl im Brandenburgischen Verband Bildender Künstler um 30 Prozent gestiegen. In anderen Ländern sinke sie, so Dietsche.

Inzwischen beginnt die ART Brandenburg eine Institution zu werden, was auch der Preis „Bewegungsmelder“ beweist, den sie von der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung am 11. November erhalten wird. „Künstler sind nicht nur obskure Figuren. Sie leisten auch Basisarbeit für die kulturelle Infrastruktur in der Fläche“, sagte Karikaturist Rainer Ehrt, der ebenfalls Projektleiter der ART Brandenburg ist.

Ulrike Hogrebe aus Neuwerder im Havelland ist so eine Künstlerin, die aus ihrem Atelier heraustritt und andere mitzieht. Mit ihrem Verein „Land (Schafft) Kunst“ bespielt sie das ganze Dorf, lädt renommierte Künstler ein, die in den von den Einwohnern zur Verfügung gestellten Höfen ausstellen. In der Metropolis Halle ist Ulrike Hogrebe das erste Mal und zeigt Bilder mit vibrierenden Hintergründen, auf denen einzelne Figuren mit der Landschaft Zwiesprache halten.

Doch nicht alle Künstler vermarkten und präsentieren sich gern selbst. Und es gibt auch welche, die an der ART teilgenommen haben und danach klagten: „Langweilen kann ich mich auch zu Hause“, wie Rainer Ehrt von einem Kollegen zu berichten weiß. Andere wiederum zeigten sich begeistert. Wie Michael M. Heyer, der „Die Leichtigkeit des Steins“ in einem sehenswerten „Schaufenster“ präsentiert. Seine aus iranischem Travertin schwungvoll herausgeschälte Skulptur „Leichter Aufstieg“ ist für 3600 Euro zu haben. Der Bildhauer ist das vierte Mal dabei und sagt erfreut: „Der Umsatz hat sich gesteigert.“ Er gehört zu der Künstlergruppe Neues Atelierhaus Panzerhalle Groß Glienicke, die sich erstmals in einer Gemeinschaftskoje vermarktet und darin zwölf weitere Positionen vorstellt. „Wir wollen unser Atelierhaus stärker ins Bewusstsein bringen, da wir durch unsere kurzen Mietverträge ständig in einer prekären Situation leben,“ sagte Birgit Cauer. Deshalb möchte der Verein nicht nur Käufer finden, sondern auch Förderer und Freunde.

Wer sich in dem Riesenangebot unterschiedlichster Handschriften verloren fühlt, kann sich einer Führung anschließen und zudem seine Kinder kostenlos in die Obhut der Künstlerinnen Heike Isenmann und Susanne Pomerance geben. Dort können die Kids mit Farben, Worten und Lakritz experimentieren und im eigenen Tun in die Kunst hineinwachsen.

Metropolis Halle, August-Bebel-Straße 26-53, heute 11 bis 20 Uhr, am morgigen Sonntag 11 bis 18 Uhr, Eintritt 8/ermäßigt 5 Euro, ab 16 Uhr Abendticket für 5 Euro. Kostenlose Führungen heute 16 und 18 Uhr, Sonntag 12 und 15 Uhr

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