zum Hauptinhalt

Kultur: Vom Tellerwäscher zum „Superstar“

VIVA-DanceStar Eugene Boateng tanzt heute und morgen bei der „Revolte“ von Oxymoron in der fabrik

Er bewegt sich zärtlich wie ein Schmusekätzchen, zupackend wie ein Panter auf Beutezug. Eugene Boateng beeindruckt mit Dramatik und Komik zugleich: Mal lässt er seine Muskelpakete wütend spielen, dann schwebt er federleicht über die Bühne. Der in Düsseldorf geborene Tänzer ist der Neue in der Potsdamer Tanzcompanie Oxymoron und überzeugt in der Produktion „Revolte“ schon wie ein alter Hase. Dabei ist der 23-Jährige erst vor fünf Jahren zum Tanz gekommen. Seine Geschichte erinnert an die von Billy Elliot, der sich aus seinen ärmlichen Verhältnissen heraustanzte und schließlich bei seinem ersten großen Auftritt auch die Widerstände des Vaters brechen und ihn überzeugen konnte, dass Tanz sein Leben ist.

Schon zwischen Abwasch und Kochtöpfen tänzelte Eugene umher. Wenn die Kumpels ihn zum Fußballspielen abholen wollten, mussten sie meist auf ihn warten. „Ich hatte viel zu putzen und zu spülen.“ Bei einer Großfamilie mit acht Kindern gab es mehr zu tun als anderswo. Ein guter Freund spürte, dass Eugene nicht nur aufs Tor stürmen kann und ermutigte ihn, gemeinsam mit ihm zu „battlen“, sich mit anderen bei einem HipHop-Wettkampf zu messen. „Ich holte mir vom Sperrmüll einen Spiegel und trainierte mit einem GhettoBuster auf dem Dachboden.“ Nach einem Monat war es so weit: Der erste Ausscheid stand an. „Ich war mir total unsicher. Also betete ich zu Gott und bat ihn um ein Zeichen. Sollte ich gewinnen, würde ich beim Tanzen bleiben.“ Wenn nicht, doch Arzt werden, wie der Vater es wünschte. Eugene gewann. Da machte es ihm nicht viel aus, dass er beim nächsten Mal verlor. Gott hatte entschieden.

Einmal in die Tanzszene eingetaucht, ergaben sich immer neue Herausforderungen. Eugene machte bei einem Tanztheater-Stück mit und schrieb ein sehr persönliches Solo. Als sein Vater ihn in diesem Monolog sah, sagte er zum Sohn: „ Das ist das Richtige für Dich.“ Mit seinem kongolesischen Tanzpartner Idrissa nahm Eugene schließlich als Deutschland-Sieger beim international renommierten HipHop–Battle „Juste Debout“ in Paris teil. Und sie wurden zweite. Bei der VIVA-Casting-Show „DanceStar“ tanzte er sich als „U-gin“ erfolgreich durch alle Runden und wurde „Superstar“. Der Preis passte bestens in seinen Lebensplan: Für ein Jahr bekam Eugene in Berlin eine Wohnung finanziert, an dem Ort, den er ohnehin für ein Schauspielstudium auserkoren hatte. Denn der sympathische Mann mit den raffiniert geflochtenen Zöpfen weiß trotz seiner jungen Jahre schon ganz genau, wohin er will.

Und zwar auf die große Leinwand: als Schauspielstar. Mit größtem Selbstverständnis erzählt er von seinen hochfliegenden Plänen, die bei ihm durchaus geerdet scheinen. Seine aus Ghana stammenden Eltern, die mit Anfang 20 nach Deutschland auswanderten, um ihren Kindern eine bessere Zukunft als in der afrikanischen Heimat zu ermöglichen, hatten es auch hier nicht leicht. „Ich kenne es, im Dreck zu leben, weniger Geld und Klamotten zu haben als meine Mitschüler. Es ist ein blödes Gefühl. Aber wir wurden dazu erzogen, uns nicht mit wenig zufrieden zu geben.“

Auch davon erzählt sein Style, der inzwischen HipHop mit dem sehr gefühlsbetonten Krumping und Modern Dance vereint. „Ich bin sehr sehr extrovertiert, kann ganz weich sein, aber auch ganz hart.“ Der Tanz ist sein Ventil, auch um Aggressionen abzubauen. Und so ist er im wahren Leben eher der offene, sehr lustige Typ. Das machte es ihm wohl auch leichter, sich seinen Platz in der Companie Oxymoron zu erkämpfen. Die Choreografin Anja Kozik sah Eugene in der Produktion „Tales of the funky“ von Christoph Winkler in der fabrik und heuerte ihn begeistert für ihre „Revolte“ an. „Es war aber nicht so einfach, in die Gruppe reinzukommen.“ So musste er wohl erst einmal beweisen, dass er auch ohne Tanzausbildung etwas drauf hat.

Eugene, der jetzt privat Schauspiel- und Gesangsunterricht nimmt, fühlt sich noch lange nicht an seiner Grenze. Er besucht Workshops und verdient sich selbst als Tanzlehrer Geld. „Ich zeige meinen Schülern, woher meine Bewegungen kommen und dass nichts ohne Anstrengung passiert. Man muss sich schon selbst in den Hintern treten.“

Sein Lebensplan ist abgesteckt: mit Tanz und Schauspielerei will er Kinoheld werden. „Das Theater ist zwar das Echte, die große Kunst, aber die Leinwand ist Fame und Geld. Und das fühlt sich gut an.“

Schafft er es bis ganz nach oben, bringt er seinen Verdienst nach Ghana. „Ich möchte den Straßenkindern helfen und meiner großen Familie, auch in Afrika.“ Die hat er erst in diesem Jahr kennengelernt. „Es war Glück und Trauer, Schmerz und Freude“, und wenn er von diesem aufwühlenden Erlebnis erzählt, werden seine schwarzen Augen noch glänzender.

Diese Reise war indes nicht nur eine familiäre Ortung. Eugene sah sich auch die Tanzszene in Ghana an und entdeckte, dass seine eigenen Bewegungen sehr viel mit der dortigen Tanzart gemeinsam haben. „Blut ist eben dicker als Wasser“, sagt er und trainiert weiter.

„Revolte“ ist heute um 20 Uhr und Sonntag um 16 Uhr in der fabrik.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false