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Kultur: Vor der Zeit gereift

Sanssoucis Hofgärtner und die Melonen. Heute wäre Otto Meermann 150 Jahre alt geworden

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Von Gärtner-Bataillonen erzählt Theodor Fontane im Kapitel über Bornstedt in den „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“. Er meinte die Hofgärtner der preußischen Monarchen, die vor allem im Park Sanssouci lebten, arbeiteten und nebenan auf dem Bornstedter Friedhof ihre letzte Ruhe fanden. So hat sich die weitverzweigte Familie Sello vorbehalten, in einer eigenen eingefriedeten Grablege beigesetzt zu werden. Nur dem berühmtesten Landschaftsgestalter Preußens, Peter Joseph Lenné, und seiner Frau räumten sie einen Platz ein. Doch nicht nur Sellos & Co. sind auf dem Friedhof zu finden, sondern auch Gärtner, denen weniger Lorbeerkränze geflochten werden.

Zu den Aufgaben der Hofgärtner gehörten die Konzeption von Neuanlagen und Umgestaltungen von Ziergärten, deren Pflege und Unterhaltung. Aber auch frisches Obst und Gemüse für die königliche Tafel war gefragt. Einen großen Aufschwung nahm die Nutzgärtnerei unter Friedrich II. Edles Gemüse und köstliche Früchte wurden geerntet. Darunter Melonen. Keine Kosten scheute Friedrich, um peruanische Melonenbäume (Papaya) nach Potsdam zu holen. In seiner Bibliothek im Schloss Sanssouci befindet sich das siebenbändige Naturkundebuch „Le Spectacle de la Nature“ (1735) von Abbé Pluche. Darin geht er auch auf Melonen ein: „Eine der vollkommensten Früchte des Küchengartens und eine der delikatesten Erfrischungen, welche die Natur, stets auf unsere Bedürfnisse achtend, uns während der Zeit der großen Hitze gewährt hat.“

Sanssoucis Melonenrevier leitete zurzeit Friedrich des Großen Philipp Friedrich Krutisch. In Holland zum Gärtner ausgebildet wurde er 1744 vom preußischen König nach Potsdam geholt. Es war die Zeit, als aus dem wüsten Berg ein Weinberg wurde und der Baumeister Knobelsdorff auf ihm krönend das Schloss Sanssouci baute. Der Hofgärtner wurde beauftragt, die Terrassen zu bepflanzen. „Auf die Ränder kamen je sechzehn 15 Fuss hohe, aus Hamburg verschriebene Taxuspyramiden, dazwischen Zwergobst, dann niedrige, geschorene Hecken und endlich Orangenbäume in viereckigen Vasen, immer zu zweien zusammenstehend“, heißt es in einer zeitgenössischen Beschreibung. Auch für die Verschönerung der Umgebung des Chinesischen Teehauses war er verantwortlich, die später von seinem Kollegen Joachim Ludwig Heydert fortgesetzt wurde. Der am 18. März 1713, also vor 300 Jahren, Geborene starb am 10. November 1773. Er wurde auf dem Bornstedter Friedhof beigesetzt. Sein Grab ist heute nicht mehr auffindbar. Sein jüngerer Bruder Johann Heinrich (gest. 1766) stand ihm in der Melonerie zur Seite. Sein Nachfolger wurde der Neffe Johann Jakob Krutisch (1745-1817). 44 Jahre lang hat er als Melonenbauer unter drei preußischen Königen gedient. Ihm folgte dessen Sohn Friedrich Jakob (1778-1833).

Auch der Schwiegervater Lennés, Joachim Heinrich Voß (1764-1843), beschäftigte sich als Hofgärtner des Küchengartens (Marlygarten). In dem von Peter Joseph Lenné 1822 mitgegründeten „Verein zur Beförderung des Gartenbaues in den königlich preußischen Staaten“ wurde Voß Mitglied. Er war publizistisch tätig und schrieb auch über die Anzucht von Melonen. Auf dem Bornsteder Friedhof wurde er vor 170 Jahren beigesetzt.

Mitglieder der großen Hofgärtnerfamilie Nietner wurden in Bornstedt ebenfalls beerdigt, darunter Eduard (1796-1859) und Theodor (1790-1871). Beide waren in der Melonerie tätig. Theodor Nietner verstand es, König Friedrich Wilhelm III. mit seinen Melonen zu begeistern. Eines Tages erschien der Monarch im Garten und wollte die Früchte sehen, die im Freien reiften. „Se. Majestät der König sowohl als alle übrigen hohen Anwesenden, wurden durch die Zahl und Größe der sich hier vorfindenden Melonen, wie es schien, nicht nur sehr angenehm überrascht, sondern allerhöchst Dieselben gaben mir auch Ihre Zufriedenheit darüber zu erkennen“, schrieb Theodor Nietner.

Letzter Meloneriegärtner war Otto Meermann, der heute vor 150 Jahren, am 22. Juli 1863, geboren wurde. 35-jährig wurde er Hofgärtner und Leiter der Sanssouci-Melonerie. Wie seine Vorgänger hatte er die kaiserliche Küche mit Obst und Gemüse zu versorgen. Gerd Schurig, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gartendirektion in Sanssouci, sagte über Meermann: „Eine besondere Spezialität Meermanns war die Treiberei, das in Gewächshäusern, Frühbeetkästen und Treibmauern erreichte Reifen der Früchte vor ihrem natürlichen Erntetermin. So konnte er fast ganzjährig unter anderem Bohnen, Gurken, Melonen, Spargel, Champignons, Erdbeeren, Ananas, Wein und Pfirsiche liefern. Viele der gärtnerischen Kunstgriffe und technischen Raffinessen, die er dabei anwandte, sind inzwischen vergessen, da heute billigere Exporte diese Kunst erübrigt haben.“

Das Melonerierevier wurde nach dem Ende des Kaiserreichs weiterbetrieben. 1927 riss man die großen Gewächshäuser ab. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es einen privaten Gärtner als Nutzer, ehe 1967 auf dem Areal die Werkstätten des Schirrhofes der heutigen Schlösserstiftung entstanden sowie Kleingärten angelegt wurden. „Die wenigen verbliebenen baulichen Zeugnisse sollen aber gesichert und in das Gestaltungskonzept für die künftigen Außenanlagen einbezogen werden“, so Gerd Schurig.

Otto Meermann wohnte zuletzt in der Ribbeckstraße 1 in Bornstedt und wurde auf dem dortigen Friedhof nach seinem Tod (5. Mai 1957) beerdigt. Mit ihm schloss sich der Kreis der Hofgärtner-Bataillonen. Der Fernsehmoderator Günther Jauch hat über die Grablege die Patenschaft übernommen.

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