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Operettenexpertin. Marguerite Kollo besuchte das Potsdamer Sinfonieorchester Collegium Musicum, dessen Musiker derzeit an „Drei alte Schachteln“ arbeiten. Kollos Großvater Walter schrieb die Operette vor ziemlich genau 100 Jahren.

© A. Klaer

Kultur: Was den Mädchen die Liebe nützt

Das Potsdamer Sinfonieorchester Collegium Musicum probt eine 100 Jahre alte Berliner Operette

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Operette – das klingt nach Mottenkiste. Doch dann sind da diese eingängigen, aber nie langweiligen Melodiebögen, die zu einer zuckrigen und gar nicht so unangenehmen Klangwolke zerschmelzen. „Da fehlt leider noch der Tenor“, flüstert Marguerite Kollo zwischen zwei Takten. Die 79-jährige Operettenexpertin besucht eine Probe des Potsdamer Sinfonieorchesters Collegium Musicum. Die 60 Musiker arbeiten derzeit an „Drei alte Schachteln“, geschrieben von Walter Kollo vor ziemlich genau 100 Jahren, uraufgeführt 1917 in Berlin.

„Das war damals die Operettenhauptstadt“, sagt Marguerite Kollo. Ihr Großvater Walter, geboren 1878 in Ostpreußen, gestorben 1940 in Berlin, schrieb damals zahlreiche Operetten, Singspiele, Possen. Neben Paul Lincke gilt er als einer der wichtigsten Operettenkomponisten seiner Zeit. „Er hat für Claire Waldoff geschrieben. Die hat in der Uraufführung die Auguste gesungen – ,Ach Jott, watt sind de Männer dumm’“, sagt Marguerite Kollo schwärmerisch. Richtige Ohrwürmer seien das damals gewesen, aus jeder Operette nahmen die Zuschauer gleich mehrere mit.

Weil sich das heute niemand mehr so richtig vorstellen kann, zumindest von den jüngeren Leuten, und weil die älteren es möglicherweise gern einmal wieder sehen und hören würden, will sich Knut Andreas nun an eine Operette wagen und mit dem Klischee, das sei doch nur leichte Unterhaltung, aufräumen. Er erinnerte sich, dass er vor Jahren Marguerite Kollo in München kennengelernt hatte und nahm wieder Kontakt zu ihr auf. „Sie war begeistert von der Idee, eine Kollo-Operette in Potsdam aufzuführen. Es dauerte keinen Tag, dann stand der Plan“, sagt Andreas. Marguerite Kollo wird nun als Regisseurin die Proben begleiten. Das war ihr immer lieber, als selbst auf der Bühne zu stehen, sagt sie, obwohl sie als Kind und junge Frau eine fundierte Gesangs- und Tanzausbildung erhielt. Das war in der musikalischen Familie Kollo anders kaum denkbar.

Ihr Vater Willi Kollo schrieb wie der Großvater Texte und Musik für das gefragte Unterhaltungs-Genre. Dessen Sohn René Kollo wurde ein international erfolgreicher Wagner-Tenor. Marguerite Kollo blieb lieber hinter den Kulissen, im Management, leitete den hauseigenen Musikverlag und gründete eine Künstleragentur. In Köln inszenierte sie Operetten für die Philharmonie, 2004 für den Potsdamer Nikolaisaal. „Ich kämpfe für den Erhalt der Operette“, sagt sie, sogar eine europäische Stiftung hat sie für diesen Zweck gegründet.

Die Vorurteile gegenüber dieser Musik sind ihr bekannt. Doch Operette, das sei einfach gute Unterhaltung – und diese sei eben gar nicht so leicht zu produzieren. „Das Leichte ist oft am schwersten“, sagt sie. Operettenkünstler müssen beides können, singen und tanzen. „Wir brauchen Künstler, die außerdem gut aussehen, richtig sprechen und auch eine Pointe gut verkaufen können“, fasst Marguerite Kolle die Anforderungen zusammen. Leider werden Künstler für dieses Fach kaum noch ausgebildet. „Dabei gibt es so tolle Talente!“, sagt sie erfreut.

Und ein riesiges Repertoire, freilich begrenzt, weil eben nichts mehr nachkommt. Heute ist Musical angesagt, technisierte Inszenierungen, und Ohrwürmer entstammen der globalisierten Pop- und Rockmusikszene, sagt sie. Doch Kollo und auch Knut Andreas sind sich sicher, dass man selbst junge Leute wieder für dieses vergessene Genre begeistern könnte. „Es muss eben wirklich gut gemacht sein“, sagt Kollo.

Für das Potsdamer Publikum könnte interessant sein, dass die Handlung der Operette in Potsdam spielt, in einer Villa sowie im Park und Ballsaal von Schloss Sanssouci. Erstmals wird mit dem Collegium Musicum diese Potsdamer Operette hier aufgeführt. Die Geschichte ist überraschend emanzipatorisch: Drei junge Frauen, die Schwester Ursula und Charlotte sowie Köchin Auguste, hoffen, dass sie endlich geheiratet werden. Doch die Verehrer machen sich überraschend aus dem Staub, weil sie lieber in den Krieg ziehen und dem Vaterland dienen wollen. „Was nützt denn den Mädchen die Liebe“, singt folglich Claire Waldoff 1917 als Auguste. Als die Männer nach zehn Jahren zurückkehren, sind sie unangenehm überrascht, dass die Zeit auch an ihren Mädels nicht spurlos vorbeigegangen ist. Die so brüskierten Damen beschließen, ihre Verlobten ein wenig zu foppen: Charlotte beispielsweise erscheint beim Regimentsball verkleidet als ihre eigene junge Nichte, verdreht ihrem zurückgekehrten Soldaten den Kopf und lässt ihn dann im Regen stehen. Am Ende wird natürlich doch alles gut.

Die Potsdamer Sopranistin Ute Beckert, die neben ihren Engagements an der städtischen Musikschule als Gesangspädagogin arbeitet, wird „Lotte“ singen, Ilona Nymoen, eine in Mailand ausgebildete Opernsängerin, die 2013 die Kammeroper Kleinmachnow gründete, ist „Ursula“. „Auguste“ wird von der Berliner Schauspielerin Katharina Groth verkörpert. Die zwei Verehrer geben die Tenöre Oliver Uden aus Berlin sowie Christian Theodoridis, zurzeit in Hamburg engagiert.

Bei der konzertant-szenischen Inszenierung wird das Orchester auf der Bühne sitzen, davor agieren die Sänger. Die Requisite beschränkt sich auf kleinere Möbelstücke. „Aber wir spielen das komplette Stück, zwei Stunden“, sagt Knut Andreas. Aufführungsort ist die Orangerie der Biosphäre am Volkspark. Erstmals ist das Collegium Musicum hier zu Gast – und begeistert. Die Akustik sei sehr gut, vor allem habe man Platz, etwa 490 Zuschauer passen in den Saal. Das tropische Ambiente passe zur Heiterkeit des Stücks, ein wenig Sommer mitten im Januar.

Marguerite Kollo ist schon jetzt begeistert. „Ist das so nach Ihrem Sinne?“, fragt Knut Andreas in der Probe – eben ließ er Flöten und Klarinetten „wie Springbrunnengeplätscher“ über die Streicher hüpfen „Wunderbar“, antwortet die Enkelin des Komponisten.

Karten für „Drei alte Schachteln“ am Samstag, dem 17. Januar um 19.30 Uhr, sowie am Sonntag, dem 18. Januar um 16 Uhr, in der Biosphäre kosten zwischen 10,50 Euro und 18,50 Euro.

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