Kultur: Was wäre das Leben bloß ohne Krankheiten
Das Theater Marameo bringt Molières letztes Stück „Der eingebildete Kranke“ auf die Bühne des Belvederes am Pfingstberg
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Dem Publikum steht in diesen Wochen vor allem der Sinn nach launiger Sommerunterhaltung. Das weiß auch der Pfingstberg-Verein. So holte er sich für das diesjährige sommerliche Bühnenspektakel das Theater Marameo aus Magdeburg auf den Berg. Es weiß nämlich todsicher: Lachen ist die beste Medizin. Wer lacht, lebt länger, gesünder und billiger.
Argan, Molières Held, lacht nicht. Er nimmt das Leben und seine Beschwerden bierernst. Dabei leidet er nicht an den Krankheiten, die ihm sein geldgieriger Arzt einredet, sondern an seiner Einbildung. Kurz und natürlich nicht gut: Er ist ein Hypochonder. Außerdem ein Vater, der von seiner Tochter verlangt, einen Doktor zu heiraten. Das spart Kosten! Seine neue Ehefrau bestärkt ihn darin und fördert seinen Krankheitswahn. Doch die Erbschleicherin hat die Rechnung ohne das Dienstmädchen Toinette gemacht. Mit einem genialen Trick zwingt sie Argan, die bittere, aber heilende Pille der Erkenntnis zu schlucken.
„C’est du pur Molière!“ (Das ist ja reiner Molière!), sagen die Franzosen, wenn sie etwas urkomisch finden. Und „Der eingebildete Kranke“ ist absolut reiner Molière. Auch auf dem Pfingstberg sollen die Lachmuskeln der Zuschauer strapaziert werden, wenn das Theater Marameo in der kommenden Woche das letzte Theaterstück des Zeitgenossen des französischen Königs Ludwig XIV. zum Besten gibt. Molière, und das ist die tragische Ironie, war todkrank, als er den Argan selbst auf der Bühne spielte. Am 17. Februar 1673, nach der vierten Vorstellung, die er nicht absagen wollte, weil sich der König angesagt hatte, brach er zusammen und starb noch am selben Abend im Kostüm des eingebildeten Kranken.
Marameo, das unter der künstlerischen Leitung des Regisseurs Andreas Lüder agiert, hat in Potsdam seit mehreren Jahren seine dankbaren Zuschauer. Nachdem das Ensemble im Hof der Großen Stadtschule in der Friedrich-Ebert-Straße spielte, ist es im vergangenen Jahr mit Jewgenij Schwarz‘ Schauspiel „Der Drache“ zum Belvedere auf den Pfingstberg übergesiedelt. „Ein wunderbarer Ort, der viel Raum lässt für unterschiedliche Stücke, an dem man gern der Fantasie freien Lauf lässt“, sagt Andreas Lüder. Molières Komödie spielt das Theater in einer eigenen Fassung, als Kammerspiel. Die Personnage von zwölf Darstellern wurde auf sechs reduziert. „Wir wollen uns vor allem auf die Beziehungen zwischen dem eingebildeten Kranken Argan und des handfesten Dienstmädchens Toinette konzentrieren. Ihr Verhältnis zueinander entpuppt sich als eine Art Amour fou, als eine verrückte Liebe“, so der Regisseur.
Der theatererfahrene Wolfgang Mondon als Argan sowie die Debütantin Josefine Heidt als Toinette geben während des Pressetermins eine kleine, doch köstliche Kostprobe: Der grummlige Hypochonder, der sich selbst in seinem Krankenbett wohl nicht zurechtfindet und mit Klistieren herumdoktert, wird von dem Hausmädchen kess-energisch zurechtgewiesen. In der gezeigten Szene versucht Argan sich noch zu wehren, will er noch herumkommandieren, doch spürt man bereits, dass Toinette davon überzeugt ist: „Wenn der gnädige Herr nicht überlegt, was er tut, darf eine gescheite Dienerin ihn zur Vernunft bringen.“
„Für mich ist Argan kein schlechter Kerl, kein unrettbarer Hausdepot. Toinette hilft ihm schließlich mit allerlei Tricks, dass er wieder gesund wird“, sagt Andreas Lüder. „Mit geistreichem Witz, einem tief wurzelnden Zynismus hat der Dichter die Geschichte aufgeschrieben, die auch etwas Autobiografisches in sich trägt. Die menschlichen Schwächen werden aufs Korn genommen und der Lächerlichkeit preisgegeben.“ Auch der damals zu Ende gehenden Theaterform der Commedia dell’arte werde ihre Referenz erwiesen, kündigt Lüder an. Doch bei Molière wird die einseitige und langlebige Tradition hinterfragt: Toinette ist ein weiblicher Harlekin, Argan ein demaskierter Pantalone, vom prahlsüchtigen und geldgierigen Dottore ganz zu schweigen.
Diese unterhaltsame Komödie wird ab Donnerstag, dem 15. August, vor der Fassade des Pfingstberg-Belvedere über die Bühne gehen. Und der Zuschauer wird so ganz nebenbei erfahren, dass es auch vor 340 Jahren bereits ein blühendes Geschäft mit Heilmitteln gegeben hat.
Vorstellungen am 15., 16. und 17. August, 20 Uhr, Belvedere auf dem Pfingstberg. Weitere Aufführungen folgen. Der Eintritt kostet 16, ermäßigt 13 Euro zuzüglich Vorverkaufsgebühr
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