Kultur: Wege durchs Theaterland
Ursula Karusseit wird heute 65 Jahre alt
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Ursula Karusseit wird heute 65 Jahre alt Von Jörg Schurig Der Inhalt mancher Filme mit Ursula Karusseit mag in Vergessenheit geraten, die Schauspielerin nicht. Sie gehört zu jenen Darstellern, die auch ohne Text wirken. Auf deren Gesicht die Kamera lange verweilen kann, ohne dass es für den Zuschauer bemüht wirkt. Dabei ist Ursula Karusseit, die heute 65 Jahre alt wird, zuallererst eine Theaterfrau. An vielen deutschsprachigen Bühnen von Berlin über München und Zürich bis nach Köln, Bremen und auch Potsdam hat sie große Rollen verkörpert. Das Gros des Publikums kennt sie aber aus Film und Fernsehen. Karusseits Familie stammt aus Elbing bei Danzig. Im Januar 1945 musste sie die Heimat verlassen und kam nach Mecklenburg. „Ich wusste damals noch nicht, wer uns vertrieben hat und warum“, erinnert sich die Künstlerin. Dass sie auf der Reise ins Ungewisse einen toten Soldaten sah, hat sich dem Kind aber eingeprägt. Immer wieder hat Ursula Karusseit später in Filmen mitgewirkt, die gesellschaftliche Umbrüche zeigen wie „Wege übers Land“ (1968) oder „Daniel Druskat“ (1976), beide von Helmut Sakowski. Ihre größten Theaterrollen bleiben Bertolt Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“ und „Mutter Courage“. Als Kind wollte die Karusseit Verkehrspolizistin werden, auch Krankenschwester gefiel ihr ganz gut. Als der DEFA-Film über Ernst Thälmann in die DDR-Kinos kam, war die Berufswahl entschieden. „Außerdem gab es da eine Schauspielerin, der ich angeblich ähnlich sah. Das meinten jedenfalls meine Freundinnen.“ Gegen den Willen des Vaters studierte sie an der Berliner Theaterhochschule. Später wurden die Eltern ihre größten Fans. Die Volksbühne in Berlin war ihr lange ein Zuhause. Drei Jahre vor der Wende kündigte sie und ging ans Theater nach Köln. Als langjährige Ehefrau des Schweizer Regisseurs Benno Besson hatte sie schon vor der Wende gen Westen reisen dürfen. Mit dem Verschwinden der DDR hat Ursula Karusseit auch Verluste empfunden. 1991 spielte sie in Frankfurt am Main in „Maria Stuart“ - dann wurde sie arbeitslos. „Dass man uns im Westen nicht kannte, tat ziemlich weh“, sagt die Künstlerin. Eine „gewisse Arroganz“ spürt sie heute noch. Im Unterschied zu manchen Ost-Kollegen war Karusseit aber später wieder gefragt, auch als Regisseurin. Auf ein Fernsehangebot musste sie bis 1998 warten. Seitdem spielt sie in der ARD-Serie „In aller Freundschaft“ liebenswert-energisch die Haushälterin Charlotte. Die verschiedenen Rollen als Schauspielerin, Regisseurin und gelegentliche Dozentin an der Hochschule für Film und Fernsehen in Babelsberg will Ursula Karusseit nicht gegeneinander aufwiegen. „Es ist wunderbar, wenn man alles machen kann. Ich habe quer durch den Gemüsegarten gespielt und konnte mich als Regisseurin ausprobieren. Das war sehr lehrreich.“ Auch die TV-Serie stehe da nicht nach. „Ich weiß ja nie, wie die Rolle weitergeht. Das macht Spaß.“ Weniger Spaß empfindet sie mitunter als Zuschauerin „modernen Regietheaters“: „Da werden Stücke verhunzt, da werden Schauspieler zum Löffel gemacht.“ „Es ist in Ordnung, dass man heute nicht mehr im klassischen Kostüm spielt. Aber man könne ja mal den Stoff nach seiner Aktualität untersuchen, ohne das Stück zu zerstören“, sagt die Schauspielerin. Gerade bei Brecht gebe es da immer wieder Neues zu entdecken. Auch beim Blick auf den Nachwuchs kräuselt sich ihre Stirn. Im Vorjahr saß die Künstlerin beim Treffen deutschsprachiger Theaterschulen in Graz in der Jury: „Dort wurden Inszenierungen in einer Selbstherrlichkeit geboten, das war schon gar nicht mehr zum Aushalten.“ Es sei seltsam, was sich einige Studenten unter dem Beruf vorstellen. Über das Privatleben gebe es „nichts Spektakuläres“ zu berichten. „Ich bin seit 25 Jahren mit demselben Mann zusammen und mache meine Arbeit, so gut ich kann.“ Dass sie in Berlin nach der Wende kein Bein mehr auf eine Bühne bekam, hat sie verletzt. Den Umzug in einen kleinen Ort im Brandenburgischen will sie dennoch nicht als Rückzug deuten. „Ich bin ein lebenslustiger Mensch.“ Für die Zukunft hofft sie auf „Rollen mit Verstand und Witz, etwa wie Agatha Christies „Miss Marple“. Zuletzt spielte sie zum wiederholten Male in einem „artfremden“ Fach. In Molieres „Der eingebildete Kranke“ im Potsdamer Schlosstheater hatte Karusseit mit dem Argan eine Männerrolle – und einen Riesenerfolg.dpa
Jörg Schurig
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