
© Manfred Thomas
Kultur: Weich ausschwingender Orchesterklang
Im Hof des Potsdamer Stadtschlosses fand zum ersten Mal seit 70 Jahren wieder ein Konzert statt
Stand:
Das Wetter konnte für das erste Konzert nach 70 Jahren im Hof des Stadtschlosses nicht besser sein. Die rund 450 erwartungsvollen Besucher genossen den sommerlich warmen Samstagabend. Lange vor Inbetriebnahme des wieder erstandenen Schlosses, in dem seit 2013 Brandenburgs Landtag tagt, hatte Nikolaikantor und Dirigent Björn O. Wiede die Idee, den Hof mit Musik zu beleben. Sie wurde nun Wirklichkeit, obwohl Förderungen seitens der Stadt und des Landes ausblieben.
Im Stadtschlosshof etablierten sich bereits Ende der 1930-Jahre die „Festlichen Tage der Musik“ unter der Schirmherrschaft des damaligen Oberbürgermeisters Hans Friedrichs und der künstlerischen Gesamtleitung des „Stadt-Generalmusikdirektors“ Karl Landgrebe. Musikliebhaber aus Potsdam, Berlin und darüber hinaus strömten jeweils in den Junitagen bis 1944 in den Schlosshof. Sie rühmten seine wunderbare Atmosphäre mit ihrer Harmonie von Architektur und Musik sowie seine exzellente Akustik. Das ist heute nicht anders. Björn O. Wiede platzierte die Neue Potsdamer Hofkapelle, ein Klangkörper mit ausschließlich jungen Musikern, vor das Fortuna-Portal. Ein ausbalancierter Orchesterklang konnte sich da entwickeln, der wunderbar weich ausschwang. Von außen drangen kaum störende Töne in den Hof, nur hin und wieder ein paar Musikfetzen von einem Fest in der Breiten Straße.
Mit Carl Philipp Emanuel Bachs Sinfonia in D wurde das Konzert eröffnet. Eine Verbeugung vor dem zweitältesten Bach-Sohn, der vor 300 Jahren geboren wurde und fast 30 Jahre als Kammercembalist am Hofe Friedrichs des Großen wirkte. Die Wiedergabe seiner Sinfonia war kontrastreich, manchmal sogar schroff. Bachs Musik als „Sprache der Empfindungen“ wurde so zum Klingen gebracht, obwohl ein paar mehr aparte Klangmischungen dem Ganzen gutgetan hätten. Mozarts Sinfonie Nr. 504 in D-Dur, die als „Prager Sinfonie“ in die Musikgeschichte einging, erklang danach weitgehend ohne Drive. Akademisch-brav, konturenarm plätscherte dieses Kleinod der klassischen Sinfonik durch den Schlosshof. Schade, wo doch vor allem die solistischen Einwürfe der Holzbläser erahnen ließen, wie viel musikalisches Potenzial im Klangkörper stecken mag.
Nach der Pause sollte sich der Gesamteindruck schlagartig ändern. Dazu trug entscheidend der international bekannte Trompeter Reinhold Friedrich bei. Es schien, als ob er mit seinem fröhlichen und musikantischen Spiel den Dirigenten und die Kapellmitglieder zu einem gelösteren und schwungvolleren Musizieren animierte. Mit Joseph Haydns berühmtem Trompetenkonzert in Es-Dur vermochte Friedrich zu begeistern. Sein Klang war majestätisch und klar, ganz so, wie die Traditionen des Konzerts es vorschreiben. Die Kantilene im Andante gestaltete er behutsam, das raffiniert-virtuose Spiel im Finalsatz war unangestrengt und ohne Schärfe. Der Jubel des Publikums war nach dem Schlusston groß und rief nach einer Zugabe, die Reinhold Friedrich gerne gab.
Mit Haydn spielten sich die Musiker regelrecht frei. Und so gelang ihnen gemeinsam mit dem Dirigenten die Wiedergabe von Beethovens 2. Sinfonie in D-Dur vorzüglich. Sie vermochten sogar deutlich zu machen, wie aufregend dieses Werk klingen kann. Zwar erahnt man den Einfluss Haydns und Mozarts, doch Beethovens „Widerborstigkeit“ ist immer wieder hörbar, wenn auch Momente der Beschaulichkeit die bereits revolutionäre Tonsprache teilweise zu beruhigen scheinen. Mit schnellen, doch nicht überhetzten Tempi, aber zugleich mit Genauigkeit motivierte Wiede die Neue Hofkapelle zu einem immer intensiver werdenden Musizieren. Licht und Schatten, Farbe und Nuance hatten ihr lustvolles Wechselspiel.
Herzlicher Beifall spendeten die Zuhörer dem Orchester und Björn O. Wiede. Ihm galt zudem ein besonderer Dank für sein nicht nachlassendes Engagement, diesen Ort als Konzertstätte wieder zu erschließen. Klaus Büstrin
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