Von Almut Andreae: Weit mehr als holde Weiblichkeit
Die Ausstellung „Spieglein, Spieglein ... „ zeigt Frauenbilder im KunstHaus
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Mit der „Alten Zicke“ möchte man sich lieber nicht anlegen. Herausfordernd ihr glotzender Blick, irritierend der elegant abgespreizte Zigarillo, dunkelrot der Nagellack. Unterm rauschenden Ziegenbart verbirgt sich eine zierliche Frauengestalt. Gemalt von Cornelia Schleime, mit großzügigem Gestus in Acryl, Schellack und Asphaltlack aufs große Leinwandformat. Das 2009 entstandene Bild der 1984 von Ost- nach Westberlin übergesiedelten Malerin ist Teil ihrer aktuellen Werkgruppe „Camouflage“. Die Lust am Spiel mit der Tarnung, mit der Verwandlung, der Verschmelzung zwischen Mensch und Tiergestalt treibt Cornelia Schleime zu einer spannenden Gratwanderung. Dabei ist die „Alte Zicke“ nur eine – wenn auch besonders imposante – Variante im Werk der Malerin, die Möglichkeiten der Bildniskunst frei von Anbiederung zu befragen. In Potsdam zu sehen ist das Bild neben Cornelia Schleimes „Selbstporträt mit Blatt im Mund“ von 1997 nun im Rahmen einer abwechslungsreichen Ausstellung. Zusammengestellt wurde sie unter dem Titel „Spieglein, Spieglein an der Wand – wer ist die Schönste die Klügste die Unsichtbarste im ganzen Land?“ von Renate Grisebach und Sabine Hannesen für die neueste Ausstellung des Kunstvereins KunstHaus Potsdam. Zehn Künstlerinnen und Künstler positionieren sich zum Bildnis und zur bildnerischen Selbstbefragung. In Malerei, Zeichnung, Fotografie und Installation porträtieren sie Frauen in Gegenwart und Vergangenheit. Die Ausstellung reiht sich nahtlos ein in das Themenjahr der diesjährigen Kulturlandkampagne „Mut & Anmut. Frauen in Brandenburg – Preußen“.
Neben Preußens Ikone Königin Luise begegnen mit Porträts von Marlene Dietrich und Marianne Hoppe auch Stars (gemalt von Simone Kornfeld) und Sternchen, so „Franziska“, fotografiert von Monika Schulz-Fieguth. Auffällig ist die sensible, eher psychologisierende Annäherung der acht Künstlerinnen und zwei Künstler an ihr Modell. Weniger die Erforschung weiblicher Körper steht im Brennpunkt ihrer Aufmerksamkeit als die Inszenierung eines Antlitzes oder eines Blicks. Beeindruckend nicht nur wegen des Formats die Gesichtslandschaften im monumentalen Gruppenbildnis „Versammlung vor der Odaliske“ von Johannes Grützke. Unlängst vollendet, hat das 2,20 x 3,20 Meter große Ölgemälde das Atelier des Berliner Malers für die Ausstellung erstmalig verlassen. Zu sehen sind 14 Damen aus der heutigen Berliner Gesellschaft, unter ihnen Jutta Limbach und Barbara John. In Auftrag gegeben wurde das Werk von Grützkes Galeristin Karoline Müller, die gleichfalls in dem Bildnis Einzug hielt. Gemeinsamer Bezugspunkt der Damengesellschaft ist eine auf einem weißen Tischtuch vor ihnen lagernde splitternackte Odaliske, einer Haremsdienerin. Über den Hintersinn dieser wenig alltäglichen Konstellation, für die der Maler tüchtig in die Farbtuben griff, ließe sich trefflich philosophieren. Auch wie das allerneueste Werk von Johannes Grützke seinen Weg in die „Spieglein, Spieglein“-Ausstellung fand, wirft unbestritten der Güte eines derartigen Tableaus auf die gesamte Exposition noch einmal ein neues, ein anderes Licht.
Für leise Ironie sorgt davon unbehelligt noch der ein oder andere Beitrag, so die verspiegelte Installation mit aufklappbarem Buch von Svenja Hehner, inspiriert von einem Briefzitat der Königin Luise „ wir sind eingeschlafen auf den Lorbeeren “. Auch die Farbfoto-Serie „Die Aktionistinnen“ der Berlinerin Susu Grunenberg, in denen Frauen Teil ihres eigenen Wohnungsinterieurs zu werden scheinen, fügt den gezeigten Facetten weiblicher Identitäten und Biografien eine eigenwillige Sichtweise hinzu. Nicht weniger sozialkritisch thematisiert die Bildhauerin und Installationskünstlerin Erika Schewski-Rühling in ihrer „Zeitenwechsel“ überschriebenen Projektarbeit den Übergang vom Arbeitsleben in den Ruhestand anhand von Tuschzeichnungen und Interviews. Von der Trümmerfrau bis zur Hauswartsfrau spannt sich der Bogen der befragten Frauen in dieser Porträtreihe.
Auf eine Weise unnahbar und dabei doch ungeheuer anziehend hat die in Berlin lebende Künstlerin Sibylle Wagner Frauen porträtiert, die ihr sehr nahe stehen oder die sie einfach als Person faszinieren. Hierfür entwickelte die mit Plexiglas und Acryl experimentierende Künstlerin mit einem ausgewiesenen Faible für Lichtobjekte eine spezielle Technik. In ihrer Porträtserie, von der sie in Potsdam drei Arbeiten zeigt, hat Sibylle Wagner Fotoprints hinter Plexiglas gebracht – nicht ohne das Glas zuvor rückseitig an einigen Stellen gezielt mit weißer Farbe präpariert zu haben. Die mehr als fünfzig Frauen, die sie im Laufe der letzten Jahre porträtierte, erscheinen dergestalt in einem ganz besonderen, einem geheimnisvollen Licht.
Geöffnet bis zum 29. August, immer mittwochs von 11-18 Uhr, donnerstags und freitags von 15-18 Uhr, samstags und sonntags von 12-17 Uhr, Ulanenweg 9 (Zufahrt Jägerallee)
Almut Andreae
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