Kultur: Wenig neuer Geist
Buchpremiere von „Brandenburg. Neues und altes Land. Geschichte und Gegenwart“
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Ein Land wie das Brandenburgische will verwaltet sein. Das ist schon seit den alten Askaniern so, mit Eroberungen allein ist es ja nicht getan. Struktur muss her, egal unter welcher Fahne. Dafür war immer schon „die Behörde“ zuständig, eine Menschen- und Staats-Verwaltung. Weil diese aber nur im Dunstkreis ihrer Dienstherren funktionieren kann, haben ihr namhafte Historiker Potsdams jetzt ein Buch mit dem Titel „Brandenburg. Neues und altes Land. Geschichte und Gegenwart“ geschrieben.
Wer Donnerstagabend im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte dabei war, glaubte sich einem parlamentarischen Staatsakt näher als der Buch-Präsentation. Alles offiziell, alles politisch glattpoliert, die Geschichte des askanischen, später Zollernschen Brandenburgs trotz mancher „Verwerfungen“ letztendlich eine Erfolgs-Story: Ist die Arbeitslosigkeit nicht auf nur zehn Prozent gesunken, sind die Stadtkerne nicht allesamt hübsch saniert, hat die jüngste Finanzkrise das Land nicht weitgehend verschont? Schön für die Politik, die hat es wahrscheinlich gerichtet. Ob sich bei dieser Feierstunde nun Landtagspräsident Gunter Fritsch oder Klaus Neitmann von der „Brandenburgischen Historischen Kommission“ oder der Historiker Manfred Görtemaker zu Wort meldeten, es war ein Tenor, alles paletti, morgen wird es noch besser, wir sind ja da.
Ein Staat wird sich immer durch „seine Geschichte“ zu legitimieren versuchen. Muss sie es im Umkehrschluss auch? Oder steckt hinter tausend Jahren Verwaltungsrecht und Verwaltungs-Exekutive nicht doch etwas mehr, als man es in dieser illustren A-4-Broschur lesen kann? Gut zu wissen für Amtsleute, Staatsfunktionäre und Pennäler: Geschichte als Verwaltungsakt, Behörden als Motor des Fortschritts! Da haben wohl Liegenschaftsdienst und Ordnungsamt jede Menge „Geschichte“ am Hacken. Unter „Brandenburgische Historische Studien, Bd. 15“ verankert, ist das Buch ja auch so gegliedert: Bis zur frühen Neuzeit war „Brandenburg“ Mark, Provinz dann bis ins frühe 20. Jahrhundert, in der DDR in drei Bezirke geteilt, seit 1990 als „Bundesland“ wiedervereinigt, mit klarer Tendenz zur blühenden Landschaft.
Ein bisschen mehr als nichts ist doch dahinter, wenn man zwischen den Zeilen liest: Ganz leise werden Fürsten und Stände, später „demokratische Parteien“, überall da hofiert, wo es wider die Zentralgewalt, das Nationale, geht. Besonders deutlich wird das in den Kapiteln über die Zeit zwischen 1933 und 1990. Hier wimmelt es vor „Gänsefüsschen“. Abgrenzung muss eben sein für das kommende „Europa der Regionen“. Ein Tusch dann der Selbstverwaltung heute und ihrer Staatsregenten Stolpe und Platzeck! Über Görtemakers Meinung freilich, wonach der Zusammenbruch der zentralistischen DDR mit Biermann und Havemann begonnen hätte, werden seine Kollegen in spe wohl die Köpfe schütteln.
Je mehr Gegenwart, um so weniger Geschichte? Schon, aber deshalb muss man doch nicht gleich bei der Politik klingeln gehen. War nicht „Geist oder Verwaltung“ stets die Gretchenfrage? In diesem Buch kann man das wirklich gut lesen. Wo aber bleibt, bei aller Staatsnähe, im Kontext die Rolle der Religion, der kritische Abstand zu „Brandenburg“? Viel Material also, wenig neuer Geist.Gerold Paul
„Brandenburg. Neues altes Land“, be.bra wissenschaft verlag, 19. 95 €
Gerold Paul
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