Kultur: Wenn der Küchenmeister ermittelt
Tom Wolf lebt in der Prignitz und schreibt Krimis über Morde und Raubüberfälle am Preußenhof. Heute liest er im Kultur- und Weinkontor daraus vor
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Wo ist der beste Ort, um einen Krimi zu schreiben? Für Tom Wolf ist es das Land, die Prignitz, manchmal auch der Garten hinter seinem Haus in Putlitz. Zwischen Gemüsebeeten, Weingarten und Lehmbackofen. Tom Wolf, Literaturwissenschaftler und Historiker, weiß das alles auch zu benutzen, er macht Wein und bäckt Brot, er schnitzt und betreibt Bogenschießen. Diese erdige, traditionsverhaftete Lebensart passt dazu, dass er historische Krimis schreibt. Am heutigen Donnerstag liest er daraus vor, Wolf ist zu Gast im Brandenburger Kultur- und Weinkontor.
Das gibt es noch gar nicht so lange, Ende August zog die Geschäftsstelle der Stiftung Partnerschaft für Afrika aus ihren Räumen von Potsdam-West in die Innenstadt. Weil die Stiftung weniger Fördermittel bekommt, müssen nun mehr Eigenmittel erwirtschaftet werden, sagt die Vorstandsvorsitzende Katja Böhler. Deshalb legte man die Geschäftsstelle mit einem Weinkontor zusammen: Hier wird nun Wein aus afrikanischen Ländern und Deutschland, vor allem aus Brandenburg, verkauft. Dazwischen stehen Bücher, Regionalliteratur von Fontane und Antje Ravic Strubel. Das Kontor soll sich zu einem kleinen Kulturzentrum entwickeln, hier sollen die Winzer ihre Weine vorstellen, aber auch Buchlesungen und Gesprächsrunden stattfinden. Den Anfang macht jetzt Tom Wolf. Der als Autor und Weinproduzent gut hierher passt.
Erst vor wenigen Monaten stellte er sein Buch „111 Orte in Potsdam, die man gesehen haben muss“ vor. Heute Abend wird er in seine Preußen-Krimireihe einführen. Damit begann er im Preußenjahr 2001, ein Verleger schlug ihm das Thema vor. Bis heute schrieb er fast jedes Jahr ein neues Buch, insgesamt 16 Krimis sind es geworden, die meist im Dunstkreis von Friedrich dem Großen spielen. Die Hauptfigur, die durch den Stoff führt, gleichsam der Kommissar, ist der zweite Küchenmeister. In drei Krimis lässt er zudem Gerardine de Lalande, adelige Kammerfrau der Königin Luise von Preußen, ermitteln und erzählen.
Der letzte und ganz frische Krimi heißt „Nachtviolett“. 1782 findet im Berliner Schloss, wo der preußische Staatsschatz liegt, ein Raubüberfall statt. 150 preußische Zentner Silber verschwinden. „Der vereinsamte König in Sanssouci verliert vor Ärger den Appetit und sein alter ehemaliger Zweiter Hofküchenmeister Honoré Langustier kommt noch einmal zu Ehren. Bei der Suche nach Geld und Räubern assistiert ihm seine zauberhafte Urenkelin Gerardine“, schreibt der Autor.
Wolf wurde 1964 in Bad Homburg geboren und lebte lange in Berlin, bevor es ihn aufs Land zog. Von Berlin aus grub er sich damals durch die preußische Historie, besuchte Archive in Berlin und Potsdam, heute sei das ja einfacher, sagt er, da kann man fast alles im Internet finden. Er aber wurde zwangsweise Spezialist für alte Hand- und Druckschriften. Zudem besuchte er historische Orte, Schlösser und Parks. Es sollte schließlich authentisch sein, was er schrieb. Zu seiner Überraschung stellte er fest, dass es nur relativ wenig bekannte Mordfälle in Preußen gab, etwa zwei im Jahr. Selbstmorde kamen wesentlich häufiger vor, vor allem im Militär. „Soldaten, die zwangsrekrutiert wurden, waren oft so verzweifelt, dass sie sich lieber umbrachten“, sagt Wolf. Auch Kindstötungen waren häufig, „von Frauen, die kein Kind haben wollten, sollten oder durften“.
Aber mindestens einen Mord brauchte er für jedes Buch, das erwarteten die Leser. Dazu kommt das historische Milieu, höfischer und bürgerlicher Alltag, den Wolf in einer lockeren und witzigen Sprache schildert. Sodass man sich leicht in die Geschichte und die Zeit hineinversetzen kann. Vieles, das er in Quellen entdeckt, Berichte und Briefe, lässt er einfließen. In „Nachtviolett“ sinniert also der Hofkoch: „Hartnäckig hielt sich das Gerücht, der Kammerlakai Strützky habe mit Freunden und leichten Frauenzimmern nur zwei Räume vom Schlafzimmer des Königs entfernt eine Nacht durchzecht, wobei sie laut gesungen haben sollten. Und als der Herr Schöning gekommen sei und sie um Mäßigung bat, da habe der Strützky gebrüllt: Was wollen Sie denn, der Alte schläft doch schon! Und hören tut er sowieso nichts mehr. Langustier lächelte, denn das war so absurd wie irgendetwas: Gerade Strützky – der treueste und servilste Untertan seiner Majestät, sollte sich derlei geleistet haben?“
Der neue Preußenkrimi wird allerdings der letzte sein, sagt Wolf. Irgendwann musste er mal was anderes machen. Zurzeit arbeite er an Krimis, die auf dem Brandenburger Land spielen, „Märkisches Blut“ heißt der erste, erschienen 2014. Und weil er bei der Stiftung Partnerschaft für Afrika liest, hat er noch mal die Beziehungen zwischen Preußen und Afrika beleuchtet. Eher unrühmlich sei diese Seite preußischer Geschichte. Der Große Kurfürst etablierte an der Elfenbeinküste einen Stützpunkt seines Sklavenhandels. Damals alles normal: Jeder, der was auf sich hielt, sagt Wolf, holte sich so einen dekorativen, exotischen Mohr in seinen Haushalt. Da spricht er doch lieber über die Geschichte und Praxis des Weinanbaus. Auch dazu schreibt er gerade ein Buch.
Wein und Preußen, das passt, das ist eine alte Geschichte, sagt auch Katja Böhler vom Kultur- und Weinkontor. Weinanbau gibt es im Brandenburgischen seit dem Mittelalter und heute wieder mehr denn je, 14 Weingüter etwa gibt es insgesamt. Mittelfristig soll es hier alle diese Weine auch zu kaufen geben.
Friedrich der Große habe nicht nur Weine aus dem Brandenburgischen getrunken, hat Wolf bei seiner Recherche über Speisegewohnheiten des Königs herausgefunden. „Es ist belegt, dass er sich auch Wein aus Südafrika schicken ließ, den sogenannten Kap-Wein. Vin de Constance hieß seine Lieblingssorte. Was es mit dem Namen auf sich hat, das muss ich bis zur Lesung noch rauskriegen“, sagt Tom Wolf.
Lesung am heutigen Donnerstag um 18.30 Uhr im Kultur- und Weinkontor, Lindenstraße 18. Der Eintritt kostet 5 Euro
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