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Kultur: Wenn die Primadonna überraschend das Zeitliche segnet
Eine Opern-Orangeade für alle Sinne – die Inszenierung „Der goldene Apfel“ erobert in der Orangerie Sanssouci als neuen Festspielort
Stand:
Die Hochzeit des habsburgischen Kaisers Leopold I. mit Margarita Teresa von Spanien im Jahre 1666 sah auch die Aufführung einer Oper vor. Antonio Cesti komponierte aus diesem Anlass „Il pomo d’oro“ (Der goldene Apfel). 300 Pferde waren dabei und schließlich sollen 73000 Feuerwerkskörper verschossen worden sein. Die Oper war mit ihren Spezialeffekten auf 24 verschiedenen Bühnen, 50 unterschiedlichen Rollen und zehn Stunden Aufführungsdauer das wohl exzessivste Werk des noch jungen Genres. So viel Aufwand mussten die Musikfestspiele nicht treiben, um eine stimmungsvoll-heiter bis tragische Inszenierung zu zaubern. Man entschied sich für ein Opernpasticcio aus „Il pomo d’oro“ und „Gli amori d’Apollo e di Dafne“ von Francesco Cavalli in der Orangerie Sanssouci, bei dem die Gourmets und die Musiktheater-Liebhaber gleichermaßen auf ihre Kosten kamen. Dabei führte der Weg von einer zur anderen Gewächshaushalle, zwischendurch wurde Halt gemacht im Säulenhof.
Zunächst war man eingeladen zu einem fürstlichen Menu a l’orange. Doch mitten in die Unterhaltung der Gäste platzten Mitglieder der bereits längst erwarteten Operntruppe „Cantatori magici“, um sich lautstark anzukündigen. Vor allem Aurilla (Marie-Sophie Pollack) und Magda (Olga Pitarch) machten in einem Zickenkrieg deutlich, dass in den nächsten Stunden die Sängerinnen, Sänger sowie die Instrumentalisten das Sagen haben. Die Gäste aber ließen sich beim Tafeln von dem Spektakel nicht beeinflussen.
Doch dann war Theater angesagt. Jedenfalls konnte man eine Probe in Augenschein nehmen. Im Säulenhof bereiteten die Künstler von „Cantatori magici“ auf Wunsch des Fürsten die Aufführung von Cestis „Il pomo d’oro“ vor, in der es um das bekannte mythologische Paris-Urteil geht. Doch die Besetzung von 50 Rollen brachte den Impresario Rodrigo (Marcos Fink) in arge Verlegenheit. Eine chaotische Probensituation galt es daraufhin zu bewältigen, bei denen schrullige Künstlerallüren zu Tage traten. Nach dem Text von Micaela von Marcard hat Regisseur Christoph von Bernuth das Geschehen für die Inszenierung mit köstlicher Ironie und ungezwungener Heiterkeit lebendig werden lassen. Die Commedia dell’arte ließ grüßen.
Da das pompöse „Il pomo d’oro“ also beim besten Willen nicht zu realisieren war, entschied man sich für die intimere Oper „Gli amori d’Apollo e di Dafne“ von Cavalli, ebenfalls ein italienischer Barockkomponist. Gespielt wurde sie in der rechten Gewächshaushalle der Orangerie. Ein etwas zu lang geratener Dialog zwischen einer theaterbegeisterten Hofdame (Laura Louisa Garde) und dem Impresario über den Sinn des Theaters gab den Auftakt zu dem Spiel von Dafne (Emanuaela Galli), die von Apoll (Fernando Gulmares) unsterblich geliebt wird. Doch sie verweigerte sich ihm, floh und ließ sich in einen Lorbeerbaum verwandeln. Wie zu erwarten ging auch diese Opernaufführung nicht spielplanmäßig zu Ende, da die Primadonna, die die Dafne verkörpert, plötzlich auf offener Bühne das Zeitliche segnete. Anrührend und stimmungsvoll hat Christoph von Bernuth das Ganze inszeniert. Die gesamte Halle und auch der Garten vor der Orangerie wurden dabei mit feinen Effekten ins Geschehen einbezogen. Gesungen und musiziert wird von beachtlicher Qualität. Besonders die Sopranistin Emanulea Galli wusste die Dafne mit ihrer warm timbrierten Stimme spannungsvoll zu gestalten, der Bassist Marcos Fink gab seinem Impresario eine satte Klangpracht.
Private Musicke musizierten unter der inspirierenden Leitung von Pierre Pitzl mit sicherem Stilgefühl, mitreißender Verve und nie nachlassender Begeisterung. Man konnte sich gut vorstellen, wie die Musik Cavallis mit ihren neuen expressiven Ausdrucksmöglichkeiten einst beim Zuhörer Ergriffenheit und Erschütterung hervorrief, ihn sogar zu Tränen rührte. Gourmets und Opernfreunde waren gleichermaßen von der Musik Cestis und Cavallis berührt sowie vom gesamten Pasticcio entzückt. Klaus Büstrin
Weitere Aufführungen am Donnerstag, Freitag und Samstag, jeweils 19.30 Uhr
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