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Kultur: Wer bin ich?

Tanztage: RotoZaza zeigt am Wochenende ein Schauspiel für Menschen mit Spaß am Zweifeln

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Tanztage: RotoZaza zeigt am Wochenende ein Schauspiel für Menschen mit Spaß am Zweifeln Die Sache ist am Anfang ganz harmlos: Rechts eine Frau in weißem Overall, links ein Mann in weißem Overall, in der Mitte eine undurchsichtige Wand. Tu dies, tu das, sagt eine Stimme aus dem Off. Nimm den Brief aus der Tasche, falte ihn auf, lies vor. Und die Frau und der Mann nehmen den Brief aus der Tasche, falten ihn auf, lesen vor. Jeder für sich, jeder auf seiner Seite der Wand. Geführt wie Marionetten an ihren Strippen. Sie machen nichts Besonderes, nichts wofür man Talent bräuchte, was man üben müsste oder peinlich wäre. Und doch ist das Bild, das auf der Bühne entsteht, besonders. Da ist sich Ant Hampton sicher. Der englische Regisseur und Autor hat es ausprobiert, in London, Dublin, Belfast und beim Dieppe Scene National Festival in Frankreich. In dem von ihm geschriebenen Stück „Doublethink“, das am Wochenende bei den Tanztagen auf dem Programm steht, werde sich etwas entwickeln. Etwas, was selbst er nicht voraussehen kann. Bei Darstellern und bei den Zuschauern – auch die kommen nicht ungeschoren davon. Sie können sich nicht einfach aus dem Stück heraus ziehen, so als hätten sie mit der ganzen Sache nichts zu tun. Denn das haben sie, sagt der Regisseur. Ant Hampton sitzt am Mittwoch mit zwei Technikern beim Frühstück im „Studio 1“ an der Schiffbauergasse. Die Drei sind vor ein paar Tagen aus London eingeflogen. Kalt hier und dort, sagen sie. Jetzt sind sie gespannt auf Potsdam, auf das Publikum. Sie sehen sich in der Russenhalle um, dort wird ihr Stück laufen. Mit Tanz allerdings hat es nichts zu tun. Sie kommen vom Theater, erzählen sie, „Doublethink“ ist eine Theaterperformance. Sie treten bei Schaupiel- und Tanzfestivals auf. Noch nicht mit in der gemütlichen Morgenrunde sitzen zwei der unbekannten Variablen des Stückes: der Mann und die Frau auf der Bühne. Sie sind Gastdarsteller, erklärt Ant Hampton. Bei jeder Aufführung schlüpfen neue Akteure in die Rollen. Nur einmal wird vorher gemeinsam geprobt, sonst funktioniert die Idee mit der Über-Ich-Stimme nicht mehr, jede Eigenheit und Spontaneität wäre futsch. Aber gerade darauf, wie sich die Darsteller präsentieren, wie sie reagieren, auf Off-Anweisungen und auch auf Reaktionen der Zuschauer, komme es an. Die nämlich regulieren das Verhalten der Darsteller. Die Zuschauer werden von stummen Zeugen zu Mitakteuren und schließlich zu Betroffenen. Vorbei mit der harmlosen Distanz. Wenn das Konzept von RotoZaza greift, geht es ans Eingemachte, an den Blick ins Selbst. Wie ist das mit den aus dem Off abgenommenen Entscheidungen? Bequem? Furchtbar? Mal so, mal so? Der Regisseur stellt sich einen „unsanften“ Dialog vor, zwischen dem, was man von sich kennt und dem Unbekannten. Auf der Bühne – und im Zuschauer. Auf die Idee von „Doublethink“ ist er gekommen, als ihn ein Freund aus Paris gebeten hat, für ihn ein Stück zu schreiben, erzählt Ant Hampton. Als er sich den Akrobaten auf der Bühne vorgestellt hat, wie er sich bewegt, was er zeigt, kam er auf die Stimme aus dem Off, die den Darsteller führt, die ihm sagt, wie er sich bewegen soll. Er hat das Stück weiterentwickelt, Hierarchien und Ebenen eingebaut, die Spannung schaffen, die das in Frage stellen, was sie produzieren. Wie die Stimme aus dem Off, die keine reale Person ist, sondern nur ein Abspielband, das man beliebig vor und zurückspulen kann. Welch schwaches Über-Ich. Das alles ist aber nur die halbe Geschichte von „Doublethink“ und erzählt nur in Ansätzen, worum sich das Stück dreht. Ant Hampton nippt an seinem Kaffee, hüllt sich in Schweigen und freut sich auf das, was bei der Performance passieren wird. Marion Hartig Samstag und Sonntag, 20.30 Uhr, Russenhalle an der Schiffbauergasse

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