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Kultur: Wer will“s wissen?

Babelsberger Medienpreis: Wein, Buffet,Networking

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Babelsberger Medienpreis: Wein, Buffet,Networking Der kolossale Palast der Hochschule für Film und Fernsehen wirkt schon tagsüber wie ein Gebäude mit einer dünkelhaften Dimensionsstörung. Wo sind nur die Studenten, die die Stille aus Beton und Glas, die in der gigantischen Eingangshalle ruht, mit Lebendigkeit füllen könnten? Bei Filmleuten gibt es darauf generell zwei Antworten. Sie sind entweder in Berlin - denn alle Kreativen zieht es in die Metropolen – oder gerade „auf einen Dreh“. Auch dem Abend der Preisverleihung der Babelsberger Medienpreise, an dem immerhin Preisgelder in Höhe von insgesamt 61500 Euro vergeben wurden, fehlt es an jener Spannkraft, die aus einer Scheckübergabe ein Ereignis macht und aus einer Anerkennung den unbedingten Wunsch, nächstes Mal dabei zu sein. Vor dem Eingang steht der Präsident der Hochschule, Prof. Dieter Wiedemann, in Erwartung von irgendetwas. Ob man Stars begrüßen könne? Wenigstens Semi-Prominenz? Wiedemann zeigt ein winziges, Unverständnis streifendes Lächeln: „Wissen Sie, wir haben viele Anmeldungen, aber manch einer kommt natürlich einfach ohne“. Zur Feier dann im Hörsaal, in dem die eingeklappten Holztischchen die Kniescheiben malträtieren, und zwei Nachwuchstalente mit Cello und Klavier ein buntes Medley aus Filmmusik durch die knarzende Verstärkeranlage schickt, moderiert immerhin Tatjana Jury vom RBB. Ihr Heimatsender spendierte den Absolventenpreis für den besten Dokumentarfilm. Sie trägt einen ins Grüne changierenden Hosenanzug, als sie den Tod von Marlon Brando bekannt gibt. Der Moment aus Ehrfurcht, Verneigung und Trauer ist aber bald schon vorüber. Vor der Nachrichtensprecherin sitzen unser Oberbürgermeister mit der hübschen, um weitere Botschafter für den Traum von der Kulturhauptstadt werbenden Anstecknadel, Rainer Speer, der fit wirkende Leiter der Staatskanzlei, und Hans-Jürgen Rosenbauer, Ex-ORB-Intendant. Das Zeremoniell ist leicht zu verstehen. Die drei Nominierungen in den drei Kategorien werden jeweils von einem Laudator aufgerufen. Der Preisträger, sofern anwesend, ist immer in den reservierten Reihen vorn zu finden. Er bekommt den Scheck und einen Blumenstrauß. Weil der natürlich überhaupt nicht mit der Auszeichnung gerechnet hat, fällt die Danksagung kurz und unbeholfen aus. Maren Ade von der Hochschule der Künste in München hat den mit 18000 Euro Förderpreis für den besten Spielfilm gewonnen. Sie dankt artig und entschuldigt sich mit ihrem Team. Gleich muss sie zur Kinopremiere nach Berlin. Von der fünfköpfigen Jury für den Dokumentarfilmpreis ist nur die Laudatorin erschienen. Der Preisträger, Mark Wittek aus Köln, ist wiederum bei einem Dreh in Kuba. Die 25500 Euro des Erich-Kästner-Fernsehpreises für das beste Kinder- und Jugendprogramm werden von Willi Weitzel übergeben. Er moderiert auf dem bayerischen Rundfunk die Kindersendung „Willi will´s wissen“ und spricht auch so, als ob er gerade auf Sendung wäre. Das löst tatsächlich Heiterkeit im Publikum aus, die ihren Höhepunkt erreicht, als der quietschvergnügte Gewinnerfilm von Susanne Seidel „Pantoffelhelden“ gezeigt wird. Jetzt hat auch die Potsdamer Filmhochschule ihren Preis, der Festakt kann zum Ende kommen. Der Star des Abends ist aber sicher das delikate italienische Buffet. Die Kenner der Rotweinfraktion wissen das anscheinend. Ein alteingesessener Fotohändler lobt seine Männerfreundschaften und erzählt von einem „roten Ausweis, so richtig mit dem roten Adler drauf“. Damit käme man überall hinein. Neudeutsch nennt man den sich gerade vollziehenden gesellschaftlichen Prozess „Networking“. Auffallend viele Mitvierzigerinnen, die mit ihrem stolzen, leicht verhärmten Blick jene Macherqualität ausstrahlen, derer man im Filmbusiness unbedingt bedarf, sind zu sehen. Das sind die Redakteurinnen der Regionalsender, die offenkundig beruflichen Erfolg immer vor familiäres Glück gestellt haben. Eine davon erzählt Willi-will´s-wissen-Willi gerade , wie ihr Mann sie verlassen hat. Jemand von der Cateringfirma observiert mit mißtrauischem Blick jeden schmutzigen Teller und jedes leere Glas. Seine Strenge vermittelt aber eine wohltuende Wichtigkeit, eine Funktion, die bei größeren Filmveranstaltungen sonst von den Sicherheitskräften übernommen werden kann. Im Kinosaal nebenan laufen eigentlich alle Siegerfilme in voller Länge. Da kein Interesse besteht, wird er zugesperrt, als die verbliebenen Gäste mit dem Nachtisch durch sind. Matthias Hassenpflug

Matthias Hassenpflug

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