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Von Klaus Büstrin: West-östliche Verbindung

Glucks „Le Cinesi“ und die Pekingoper

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Drei Damen von Adel langweilen sich, auch der dazukommende Herr weiß nichts Rechtes mit seiner Zeit anzufangen. Wieder mal ein Tag, der eintönig verläuft. Doch wie durch ein Wunder gesellen sich eine Chinesin und ein Chinese zu ihnen und man beschließt, die Langeweile ad acta zu legen. Das Theaterspielen könnte ein wunderbares Mittel sein, das Leben mit etwas Vernünftigem zu verbringen.

Auf der Bühne des Schlosstheaters im Neuen Palais konnte man dies nun in drei Vorstellungen während der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci miterleben. Doch ganz so wie hier gezeigt, hat Christoph Willibald Gluck seinen Opern-Einakter „Die Chinesinnen“, den er mit Hilfe seines berühmten Librettisten Pietro Metastasio 1754 für Kaiserin Maria Theresia schrieb, nicht verfasst. Bei ihnen wurden die Protagonisten Sivene, Lisinga, Tangia und Silango Chinesen durch die europäisch-barocke Brille ihrer Erfinder geschaut. Gluck und Metastasio haben die China-Begeisterung des 18. Jahrhunderts in dem Stück aufgenommen und wollten die angeblich heile Welt des fernen Landes auch auf dem Theater zum Ausdruck bringen.

Bei den Musikfestspielen trafen Europa und China tatsächlich zusammen. Für das harmonische Miteinander konnten sie Gesangssolisten aus Deutschland, Bulgarien, Italien und Polen, die Pekingopern-Darsteller Jia Pengfei und Li Yangming, Musiker der China National Peking Opera Company sowie das Kammerorchester „L‘arte del mondo“ aus Köln gewinnen. Dirigent Werner Ehrhardt musste barocke und chinesische Musik zusammenbringen. Doch, das was aus dem fernöstlichen Land erklang, entstand weitgehend von dem gebürtigen Dresdner: Karsten Gundermann. Der begeisterte Kenner chinesischer Kultur und Musik komponierte für die Peking-Oper bereits „Die Nachtigall“ nach Hans Christian Andersen. Jetzt hat er den „Chinesinnen“ von Gluck zu neuem Glück verholfen. Traditionelle chinesische Musik, die pentatonisch daherkommt, erklingt in den beiden Intermezzi „LinZhong rennt durch die Nacht“ sowie „Die Himmelsfee streut Blumen“. Chinesische und Glucksche Musik vereinen sich dann sogar im Finale, in dem lediglich der Text einigen Volkshochschul-Charakter trägt. Ansonsten wartet das teilweise neu geschriebene Libretto (Kui Sheng und Karsten Gundermann) mit mancherlei humoristischen Bemerkungen auf.

Ein musikalisches westlich-östliches Miteinander fand auf der Bühne im Neuen Palais statt. Es gelang auf angenehmste Weise. Werner Ehrhardt wusste sein Kölner Ensemble und die Pekingopern-Musiker mit ihren für unsere Regionen weithin unbekanntem Instrumentarium luftig und leicht zu nehmen, so, als ob beide Gruppen schon immer zusammen musizieren. Teilweise entstand ein Klangbild von üppiger Pracht, in der Wärme, differenzierte Zartheit und ausgesprochen sängerfreundliche Tempi immer wieder beglückten. Mit der Sopranistin Barbara Emilia Schedel, der Mezzosopranistin Kremena Dilcheva, der Altistin Milena Storti sowie Krystian Adam, Tenor, wurden die Solisten für die Gluckschen Gesangspartien mustergültig besetzt. Mit gepflegter Gesangskultur und schöner Gestaltungskunst, bei denen virtuose Koloraturen sich immer wieder durchsetzten, wussten sie ihre „Theaterszenen“, das Schäferspiel, die Tragödie und Komödie, köstlich zu charakterisieren.

Die chinesischen Intermezzi (Regie: Kui Sheng) sind für europäische Augen und Ohren von besonderem Reiz. Die zahlreichen, unergründlichen, teilweise artistischen Bewegungen wurden von den beiden Darstellern Jia Pengfei und Li Yangming mit großen und heldischen sowie anmutigen Gesten gespielt, aber auch gesungen. Der so sanfte Gesang der Bänder schwingenden Himmelsfee machte besonders Eindruck. Es ist nicht genug anzuerkennen, mit welcher Sensibilität sich die chinesischen und europäischen Künstler auf der Bühne und im Orchestergraben begegneten und zusammen arbeiteten.

Regisseur und Bühnenbildner Igor Folwill hatte an dem Erfolg einen großen Anteil daran. Auf der fast leeren Bühne, die lediglich mit fünf Stühlen und an der Seite mit Spiegeln bedacht wurde, inszenierte er ein Spiel ohne Überaktionismus, sondern mit schön dosierter, nie aufdringlicher Situationskomik und flüssigen Übergängen zwischen europäischem Theater und der Pekingoper. Auch die ansprechenden, ironischen, an die Barockzeit erinnernden Kostüme stammen von Igor Folwill. Das Publikum war begeistert von dieser ersten Musikfestspiel-Operninszenierung in diesem Jahr und spendete lang anhaltenden Beifall und viele Bravorufe.

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