Kultur: Widerhaken in die Köpfe treiben
Dominik Stein liest im T-Werk Thomas Bernhard und bereitet ein Hanns-Eisler-Programm mit vor
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Dominik Stein liest im T-Werk Thomas Bernhard und bereitet ein Hanns-Eisler-Programm mit vor Schon als Halbmeter-„Mann" tummelte er sich auf der Bühne und genoss es, im Rampenlicht zu stehen. Dabei hatte Dominik Stein keinesweg die Kunst mit der Muttermilch aufgesogen. „Die Lust am Theater muss mir aus den Wolken zugefallen sein". Jedenfalls „malträtierte" er schon als Knirps im heimischen Wohnzimmer die Eltern mit seinen Vorstellungskünsten, zauberte und deklamierte, spielte sogar die „May Fair Lady". „Ich mag vielleicht 11 gewesen sein, als das Theater in einer Annonce nach Statisten suchte. Natürlich machte ich mich sofort auf den Weg und wurde Zwergkellner im ,Wiener Blut“. Ich erinnere mich nur noch, wie ich durch die Luft gewirbelt wurde." Das brachte ihn aber keineswegs durcheinander. Schnurgerade verfolgte er weiter sein Ziel und landete gleich beim ersten Versuch an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Hamburg, wo er dann mit Susanne Lothar und Barbara Auer gemeinsam die Studienbank drückte. Wenn Dominik Stein, der den Potsdamern inzwischen aus den T-Werk-Inszenierungen „Der stumme Diener" und die „Geschichte vom Soldaten" bekannt ist, über Theater spricht, leuchten die braunen Augen und der Körper erzählt lebendig mit. Von einem Ostfriesen – wie er im Buche steht – hat dieser stattliche dunkelhaarige Mann herzlich wenig. Dennoch pocht er nachdrücklich auf seine Herkunft. „Als nach dem Krieg Lebensmittelmarken verteilt wurden, bekam ein Teil der Oldenburger Teerationen, der andere Kaffee. Der Schnitt ging mitten durch die Stadt. Meine Eltern bekamen Tee und waren damit eindeutig als Ostfriesen ausgemacht." Und natürlich hält Dominik Stein die Teetradition genüsslich weiter am Leben. Mitten im Studium musste der spielbesessene Mime dann zwangsweise auf die Theaterluft verzichten. Die Bundeswehr rief zum Aufmarsch. Dominik Stein verweigerte sich, „was damals noch einem Verbrechen gleich zu kommen schien. Jedenfalls war es sehr schwer, seine ,Gewissensgründe'' anerkannt zu bekommen.“ Doch der junge Mann, wusste, was er wollte, und vor allem, was nicht. Sein politischer Sinn war zu der Zeit an der Persönlichkeit Willi Brandts geschärft worden, für den er auch in den Wahlkampf zog. Heute schaut er eher skeptisch auf die Politik. „Es ist mir alles zu festgefahren, das Denken nicht frei genug." Während der zweijährigen Zivildienstzeit erlebte er viel Leid, das ihn nachhaltig prägte. „Die Menschen wurden an den Rand der Existenz gedrückt, und das erinnert mich sehr an Heute.“ Der Schritt in die Berufswelt gestaltete sich für ihn reibungslos. Das Diplom in der Tasche bekam er sofort eine Festanstellung am Schauspielhaus Nürnberg. Von dort aus ging es weiter in ein Engagement ans Staatstheater Braunschweig. Er spielte den Peer Gynt, den Macduff in „Macbeth" , den Oswald in „Gespenster", den Trepljew in „Die Möwe" und vieles mehr. Trotz der durchaus reizvollen Rollen entschloss er sich nach zehn Jahren, dem festen Ensemble adé zu sagen und sich auf die heikle Freiberuflichkeit einzulassen. „Ich habe mich einfach gelangweilt. Wenn man immer am selben Haus arbeitet, wird allmählich vieles zu festgefahren. Solange man jung ist, sollte man etwas probieren." Seit 1991 tourt Dominik Stein kreuz und quer durch die deutschprachigen Lande, spielte u.a. in Norditalien den Faust. Natürlich müsse man sich als Freiberufler kräftig drehen, um im „Geschäft“ zu bleiben. „Von alleine passiert nichts, Freiheit hat ihren Preis. Bisher lief es aber einigermaßen, aber man macht den Beruf ja auch nicht, um reich zu werden, sondern weil man ihn liebt.“ Dominik Stein mag dieses unmittelbare Erlebnis, den engen Kontakt zum Publikum, auch mal auf ein Glas Bier. Nach dem „Vagabundenleben“ sei inzwischen der Punkt erreicht, sesshafter zu werden, auch aus privaten Gründen. Seine „Tankstelle" hat der Ostfriese in Berlin gefunden, von dort aus zieht er nun kleinere Kreise, immer wieder auch nach Potsdam. „In letzter Zeit habe ich mich sehr auf Lesungen spezialisiert", und davon wird Potsdam bereits am 2. Mai eine Kostprobe erhalten. Gemeinsam mit Timo Sturm liest er im T-Werk Thomas Bernhards Text „Gehen". Darin wird die Beziehung des Denkens zu den Gegenständen hinterfragt, das Verhältnis von Bewegung und Stillstand. „Thomas Bernhard ist ein virtuoser Sprachkünstler und großer Geist. Er vermag es, sehr philosophisch und zugleich sehr humorvoll zu sein.“ Gerade über solche Autoren habe er auch viel über sich selbst erfahren. „Es werden Dinge zutage gefördert, von denen man nicht einmal ahnte, dass man sie besitzt. Wir können nicht sagen: So sind wir!“ Über Lesungen sei es möglich, die Sprache wieder neu zu entdecken: „Spannung wird durch das Konzentrat und nicht durch großes Brimborium erzeugt, sie öffnet den inneren Raum, setzt die eigene Fantasie in Gang.“ Auch bei der nächsten T-Werk Premiere wird Dominik Stein mit von der Partie sein. In dem Lied-Text-Programm „Vom Sprengen des Gartens“ nähert er sich gemeinsam mit Juliane Sprengel (Regie Jens-Uwe Sprengel) dem Komponisten Hanns Eisler. „Seine Lieder haben eine ungeheure Dichte, keine Note ist zu viel, keine zu wenig, jede hat ihren eigenen Charakter. Ich war überrascht, wie aktuell, frisch und brennend auch seine Schriften sind.“ Gerade Eislers Widerspruchsgeist fasziniere ihn. Und auch Dominik Stein ist jemand, der mit offenen Augen durch die Welt geht, sich an ihr reibt: vor allem am zunehmenden Abbau der Kultur. „Wir schmeißen das Beste, was wir haben, als erstes weg. Was wir brauchen sind doch gerade Gedanken und Ideen, und nicht weniger Inspiration. Aber es wird in die falsche Richtung gearbeitet, die Menschen werden immer schwächer gemacht. Leider gibt es keine echte Oppostion, die Gegenentwürfe ins Feld führt. Die Potsdamer können sich freuen, dass hier noch etwas Neues entsteht“, so Dominik Stein, mit Blick auf das wachsende Theater vis á vis in der Schiffbauergasse. Ein neuer Ort, wo Dichter und Denker, wie Eisler, Bernhard und viele andere, ihre Widerhaken in die Köpfe und Herzen treiben können.Heidi Jäger Lesung aus „Gehen“ von Thomas Bernhard, 2. Mai, 20 Uhr, T-Werk, 10/erm. 7 €.
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