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Kultur: Wiedererweckte Neugier

Weggehen und Wiederkommen: Julia Brömsel und Maria Wilke stellen ab heute im KunstWerk ihr „stadt(ge)sicht“ aus

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Das altehrwürdige Schloss Sanssouci kommt bei Julia Brömsel als Schnecke daher: mit fröhlich gepunktetem Gehäuse und schwarz funkelnden Augen. Auch bei Maria Wilke trägt die Schnecke an der Last Potsdams: In ihrem Haus haben sich die Neubauten vom Schlaatz eingenistet.

„Stadt(ge)sicht“ nennen die beiden jungen Frauen ihre gemeinsame Ausstellung, die heute um 16 Uhr im KunstWerk eröffnet wird.

Dass Schnecken bei beiden über die Bilder kriechen, überraschte die Malerinnen selbst. Vielleicht hat es damit zu tun, dass sich für sie ihre Heimatstadt auch nach fünf Jahren Ferne nicht allzu sehr verändert hat. „Potsdam kommt einem so klein vor. Man hat das Gefühl, alles zu kennen. Und man bewegt sich auch wieder in den selben Kreisen“, sagt Julia Brömsel.

Julia und Maria kennen sich bereits seit 15 Jahren. Sie spielten zusammen Theater im Offenen Kunstverein und teilten sich nach der Schulzeit Küche und Arbeitszimmer. Oft roch es dort nach Farbe, denn beide sind seit langem auch der Malerei verfallen. Dennoch lernten sie erst einmal handwerkliche Berufe, um sich nach der Schule den Kopf frei zu pusten. Julia wurde Schuhmacherin, Maria Tischlerin.

„Es war eine sehr harte Zeit, als Frau in einer Männerdomäne.“ Sie haben sich durchgeboxt, sind toleranter geworden und haben gelernt, mit Material umzugehen. Die Malerei blieb nach getaner Arbeit weiterhin ihr „Zuhause“. Aus dem Studium an der Kunsthochschule Weißensee wurde für Julia zwar nichts, aber da ihr Herz fürs Theater nicht minder stark schlug, ging sie nach Essen und studierte an der Folkwangschule Mime und Körpertheater. Ein Angebot von Ton und Kirschen lockte sie vor zwei Jahren zurück in die Heimat. „So schwer, wie es ist, wegzugehen, so schwer fällt es auch, wiederzukommen, auch wenn man die Stadt liebt.“ Für sie ist es ganz wichtig, die Möglichkeit zu haben, immer wieder aufzubrechen. Also die richtige Einstellung für ein Leben im Wandertheater, mit dem sie im vergangenen Sommer bereits herumreiste, mit dem „Blauen Vogel“ und „Hamlet“.

Als die Idee einer gemeinsamen Ausstellung aufkeimte, stellten sich die zwei Künstlerinnen zuerst einmal die Frage: „Wie schaffe ich es, meine Neugierde für Potsdam neu zu entdecken, ähnlich, als wenn ich anderen Orts unterwegs bin?“ Julia blätterte dazu in alten Potsdam-Büchern und entnahm ihnen Bilder, die sie ebenso wie ihre eigenen Fotografien übermalte und ihnen so neue Gesichter gab. Mit dem ihr eigenen Humor. „Einen ganzen Stadtführer habe ich auf den Kopf gestellt.“

Während Julia in ihrem Assoziationsspiel mehr die große Geste und das Figurative mag, geht Maria akribischer, ornamentaler zu Werke. Aber auch sie versucht, dem Vorhandenen neue Sinn-Zusammenhänge zu geben. Maria kehrte vor zwei Jahren mit Sohn Janosch nach Potsdam zurück. Das Studium in Schneeberg zur Holzgestalterin war nicht ganz nach ihren Vorstellungen: „nicht so frei und aus dem Bauch heraus, wie ich es mir gewünscht hätte. Aber es machte dennoch Spaß. Das Wichtigste war das Studentenleben, das gegenseitige Motivieren und Sich-Auffangen. Wir waren das Außergewöhnliche am Rande der Stadt.“

Noch ist Maria dabei, sich beruflich zu orientieren. Vielleicht hilft ihr die Ausstellung, an der sie seit einem dreiviertel Jahr arbeitet, dabei. „Ich habe nach dem Besonderen in der Architektur geguckt. Aber Potsdam ist voll von barocken Häusern. Das entspricht nicht meiner Formensprache.“ Schließlich focussierte sich Maria Wilke auf den Einsteinturm, auf Hochhäuser oder auf das ehemals besetzte Haus am Johann-Strauß-Platz. „Ich bin beim Malen in eine andere Welt gedriftet.“ Sie kehrte ihr Schneckenhaus nach außen, so wie Julia auch.

Vernissage, heute 16 Uhr, Musik von Olaf Mücke, Klavier, Beate Wein, Klavier, Aaron Christ, Schlagzeug, Bettina Mros, Geige sowie den Pflasterbrillenkindern.

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