AUSSTELLUNGEN IN POTSDAM: Im Waschhaus, bei Gundrum und bei Benkert16: Winterbilder
Der Fotograf Göran Gnaudschun stellt ab heute im Waschhaus seine Porträtserie „Reif“ vor
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AUSSTELLUNGEN IN POTSDAM: Im Waschhaus, bei Gundrum und bei Benkert16Der Fotograf Göran Gnaudschun stellt ab heute im Waschhaus seine Porträtserie „Reif“ vor Von Heidi Jäger Ihre Blicke brennen sich ein: Suchende, abtastende, verschlossene, abgestumpfte, neugierige Augenpaare richten sich auf die Besucher der Waschhaus-Galerie. Wer sind diese jungen Leute, die frontal auf den Betrachter herabschauen, jedes Lächeln, jede Geste, jede sich offenbarende Mimik vermeidend. Auch Namen und beschreibende Details setzen nicht auf eine bestimmte Fährte. Dennoch: Es sind irritirende, oft traurige Gesichter. Sie füllen das Bild und füllen zugleich die eigene Gedankenwelt. Denn sie erzählen mehr, als sie auf dem ersten Blick preiszugeben scheinen. Da ist das zarte Mädchen mit dem fein geschnittenen Gesicht. Sie wirkt sensibel und verletzlich und doch schon sehr wissend. Das Unbekümmert-Arglose, wie es Gleichaltrige oft haben, scheint ihr verloren gegangen zu sein. Ein anderes Mädchen mit streng zurückgekämmtem Haar hat ihre Augen schwarz umrahmt, die Brauen sind zu schmalen Mondsicheln gezupft. Das gibt ihr eine noch größere Strenge und Unnahbarkeit. Ihre unreine Haut spricht von Pubertät, doch ihre Augen sind die einer Erwachsenen. „Reif“ überschrieb der Potsdamer Fotograf Göran Gnaudschun seine Ausstellung, die er in Teilen bereits in der Brandenburg Lotto GmbH vorstellte und ab heute im Waschhaus präsentiert. Reif? Reif wodurch? Reif wofür? Der Fotograf provoziert Fragen über das viel zu frühe Erwachsenwerden. Denn der starke Kontrast zwischen den jungen Gesichtern und den erfahrenen Blicken verunsichert. Reif ist für Gnaudschun aber auch ein Synonym für Geschlossenheit, für etwas, das zusammenhält. Und diese jungen Leute brauchen den Zusammenhalt, denn sie sind Entwurzelte, Menschen, die ihre Familien verlassen mussten, weil dort nicht gut für sie gesorgt wurde. Sie leben in Kinder- und Jugenddörfern und haben alle ihre dunklen Geschichten. Doch um die ging es dem Fotografen nicht. „Hätte ich sie mir erzählen lassen, wären sicher andere Arbeiten entstanden.“ Er suchte zwar durchaus Orte, wo sich etwas zusammenballt und herauskristallisiert und es sollten auch Kinder sein an der Schwelle zur Pubertät. „Aber ich wollte sie nicht als Heimkinder abstempeln. Ursprünglich dachte ich, dass ich für mein Vorhaben eine Weile mit ihnen zusammen leben müsste. Doch dann hätte ich noch mehr von Missbrauch und Gewalt erfahren und wäre ganz anders heran gegangen. Es hätte die Gefahr bestanden, dass ich die Kinder ,benutze“, um meine Vorstellungen zu transportieren.“ Ihm ging es indes um die Würde im Porträt, und so verharrte er „nur“ an der Oberfläche und wurde dennoch überrascht. „Sie haben mir für eine kurze Zeit ihr volles Vertrauen geschenkt.“ Verlorenheit, Identitätsverlust und Heimatlosigkeit sei für ihn das eigentliche Thema gewesen. „Die Kinder sind sicher die Spitze des Eisbergs, aber auch andere müssen Orte und Familien verlassen, um sich beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten“, zieht Göran Gnaudschun größere Kreise. „Reif“ beschönigt nichts. Auch Pickel und spröde Lippen gehören nun mal zu pubertären Gesichtern. Aber sie tragen eben nicht den sozialen Stempel, der alles festmacht. Natürlich hat sich das Erlebte ins Gesicht eingeschrieben, aber Gnaudschun legt es nicht voyeuristisch bloß. Es sind Persönlichkeiten, die uns gegenüber treten. Zwar namenlos, aber doch mit eigenem Profil. In der Gruppe ergänzen sie sich und setzen zugleich Kontraste. Es sind Winterbilder mit Gesichtern, die festhalten. Vernissage heute, 20 Uhr, Waschhaus, Eintritt frei.
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