Kultur: Wir haften alle mit dem Haupt
Elf Jahrhunderte Familiengeschichte des Adelshauses Katte in einer URANIA-Matinee
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Elf Jahrhunderte Familiengeschichte des Adelshauses Katte in einer URANIA-Matinee Von Erhart Hohenstein „Wir haften alle mit dem Haupt“ - diese Gedichtzeile stammt von dem nach 1930 als Lyriker hervorgetretenen Martin von Katte, und wer dächte da nicht an dessen berühmten Vorfahren Hans Hermann von Katte, der als „Fluchthelfer“ des Kronprinzen von König Friedrich Wilhelm I. zum Tode verurteilt und in der Festung Küstrin enthauptet wurde! Doch dessen tragisches Schicksal ist schon ungezählte Male dargestellt worden. Im jüngsten URANIA- „Gespräch über Preußen“ unternahm Dr. Maria von Katte in Schloss Lindstedt den Versuch, dem Publikum andere Persönlichkeiten des seit elf Jahrhunderten bekannten Adelsgeschlechtes näher zu bringen. Auch sie hielten in den Kämpfen ihrer Zeit den Kopf hin, ohne ihn allerdings gleich zu verlieren. Bei der Eroberung der Brandenburg 928/29 unter Heinrich I. soll ein sächsischer Ritter mit einer Katze im Schild als erster die Festungswälle überwunden und gleich noch einen Hevellerfürsten gefangen genommen haben. „Diese Katze fängt mächtig große Mäuse“, sagten die Kampfgenossen anerkennend und legten damit den Grundstein für die Sage vom katteschen Ursprung. Dem aufstrebenden Adelshaus gehörten bald erhebliche Teile des Elb-Havel-Winkels, und die Vortragende verkniff sich die kritische Frage nicht, warum dieser urbrandenburgische Landstrich seit 1990 und „noch immer“ zu Sachsen-Anhalt gehört, darunter mit Wust einer der Hauptsitze der Kattes. Ihr Geburtsort Zollchow dagegen ist nach wie vor brandenburgisch. Die Familie dehnte ihre Besitzungen aber auch über ihre Stammlande aus. Zudem bekleideten die Männer Ämter an (damals) ausländischen Höfen, besonders beim Herzog (Fürst) von Braunschweig-Wolfenbüttel. Dr. Maria von Katte steht in dieser Tradition, denn sie ist wie einst Gotthold Ephraim Lessing an der berühmten Wolfenbütteler Herzog-August-Bibliothek tätig. Sicher ergeht es ihr dort besser als ihrem in Wust geborenen Vorfahren Hans von Katte, einem hochstudierten Mann, der sich 1658 als Hofmeister für den kommenden Herzog anwerben ließ. Der 22-jährige Ferdinand Albrecht hatte aber von dem nur drei Jahre älteren „bissigen und hinterhältigen“ Aufpasser schnell genug und befreite sich nach einem Jahr von der „Katzengesellschaft“. Für Hans bedeutete dies einen schweren Karriereknick und trug ihm den Beinamen „der Vergessene“ ein. Immerhin, zum Hofmarschall des Herzogs von Sachsen-Coburg brachte er es später doch. Hochgebildete Frauenzimmer besaßen die Kattes ebenfalls, darunter Sophie Charlotte. Allerdings erwählte sie ausgerechnet den später hingerichteten Hans Hermann zu ihrem Lieblingscousin, und das bremste den Aufstieg der späteren Äbtissin in Wolmirstedt zunächst erheblich. Der Vater des unglücklichen Sohnes, Hans Heinrich von Katte, avancierte dagegen unter Friedrich II. sogar zum Feldmarschall. Ein anderer Katte, Bodo, diente als Kammerherr am russischen Zarenhof gemeinsam mit Alexander Puschkin. Von dort brachte er eine vom größten russischen Dichter signierte Erstausgabe des „Eugen Onegin“ mit. Spätere Generationen hielten diesen Schatz nicht für aufhebenswert. Als letzter in der langen Ahnenreihe, an die in Schloss Lindstedt erinnert wurde, sei Friedrich Karl von Katte genannt, ein verkannter Held des antinapoleonischen Befreiungskampfes. Nächtelang war er 1808/09 unterwegs, um wie Schill oder Lützow Männer für eine Freischar zu gewinnen. Das bezahlte er mit der Entfremdung von seiner Frau. Als er mit einer 1000-köpfigen Schar dann gegen Magdeburg zog, wurde er nach ersten militärischen Erfolgen aus Berlin zurückgepfiffen. Seine Männer legten ihm das als Verrat aus, die Franzosen ließen ihn steckbrieflich suchen. 1836 starb dieser Katte vereinsamt in Klitsche und wurde in einem „Arme-Sünder-Grab“ bestattet. Nach dem Zweiten Weltkrieg verloren die Kattes durch die Bodenreform ihre Güter. Fast alle gingen in den Westen und führten hier, wie die Vortragende formulierte, ein „Leben in Amputation“. Nur Bodo blieb in seinem Heimatdorf Mahlitz und arbeitete fortan als „Knecht“ (Landarbeiter) auf seinem nun „volkseigenen“ Gut. Nach der Wiedervereinigung aber zog es das alte Adelsgeschlecht in die verlorene Heimat. Drei Vettern haben Familiengüter zurück erworben. 777 Jahre nach Balduin Kattus, dem 1221 urkundlich ersterwähnten Mitglied der Familie, wurde im Elb-Havel-Winkel wieder ein Balduin von Katte geboren. Dr. Maria von Katte, berufsbedingt weiter in Wolfenbüttel wohnend, versucht den Stammsitz Wust zu beleben, u.a. durch eine sommerliche Veranstaltungsreihe mit Konzerten, Theater, Lesungen und Vorträgen.
Erhart Hohenstein
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