Kultur: „Wir wollen hier kein Berlin-Programm“
Dem Waschhaus fehlten erst Besucher, nun ist es regelmäßig ausverkauft. Geschäftsführer Siegfried Dittler erklärt, warum
Stand:
Herr Dittler, ein bisschen staunt man schon: Viele Waschhaus-Veranstaltungen sind in letzter Zeit ausverkauft, zum Beispiel das Überraschungskonzert der Mighty Oaks. Montagvormittag wurde es verkündet, Montagabend war es ausverkauft.
Es läuft schon gut, ja.
Auch die letzten Wochen: Jan Böhmermann in der Arena ausverkauft, Roger Willemsen ausverkauft, Claire ausverkauft.
Ja, wir hatten innerhalb einer Woche vier ausverkaufte Veranstaltungen.
Woher kommt das? So lange sind die Unkenrufe doch noch gar nicht her, da hieß es noch: Wird das überhaupt etwas mit dem Waschhaus?
Unser Blick geht nach vorne. Natürlich gehört auch Glück dazu. Aber es liegt vor allem daran, dass wir wirklich gute Leute haben, die im Verbund arbeiten. Das wird nicht von einem Superhirn ersonnen, sondern wir sind da gemeinsam dran, wir haben da einfach Bock drauf. Mighty Oaks hat Matthias Porep gebucht, Tobias Marten dann Max Goldt und die Poetry-Slammer angeschleppt, ich habe Lars Neugebauer überzeugt, den Drum Klub regelmäßig zu machen.
Ist das ein Vorteil?
Das ist schon von Vorteil, wenn ein paar neue Gesichter dabei sind, die vorurteilsfrei und positiv rangehen und neue Ideen reinbringen, die vorher gar nicht stattgefunden haben. Diese Energie bringt es dann auch.
Liegt es also nur am jüngeren Team?
Was ist alt? Was ist jung? Manche sind mit 30 schon alt, andere mit 70 noch jung. Die Hälfte der Festangestellten bei uns ist über 40 – aber eben jung im Kopf. Dann haben wir einen Bufdi und zwei Azubis, die sind 18, 19 Jahre alt. Die freuen sich, wenn über Facebook was läuft, und unterstützen uns in dieser Richtung. Und diese Ballung von jungen, unbelasteten Menschen macht es einfach aus.
Weil man mehr wagt?
Ja, natürlich. Im Juni haben wir Bosse als Open Air, so etwas haben wir vorher noch nicht gemacht. Wir machen das zusammen mit Rengo Wunderlich, der ja schon jahrelang als Veranstalter in Potsdam arbeitet. Dass man sich aber hinsetzt und sagt, lass uns das zusammen machen, das hat eine neue Qualität. Ich glaube, dass auch die Öffnung in die Stadt hinein etwas bewirkt hat.
Weil hier ein Zentrum geschaffen wurde, auf das alle schauen – und das deshalb dann gut laufen muss?
Das ist ja auch eine ökonomische Notwendigkeit, dass die Dinge gut laufen. Wir haben gute Sachen im Programm, aber die sollen auch möglichst viele Leute erreichen.
Schielen die Potsdamer Veranstalter auch ein bisschen auf das Berliner Publikum?
Ich halte es für einen Fehler, nach Berlin zu schielen. Potsdam ist eine einzigartige Stadt, die ein einzigartiges Kulturangebot hat – und sich auch bewusst von Berlin abheben sollte. Aber wir leben ja nicht auf einer Insel, und Berlin fängt da vorn an der Glienicker Brücke schon an.
Das heißt, die Berliner kommen von allein?
Es gibt Automatismen. Bei Scott Matthew vor anderthalb Jahren kamen über 80 Prozent der Besucher aus Berlin. Aber wir wollen hier kein Berlin-Programm fahren. Ich freue mich über jeden, der aus Berlin den Weg findet – aber ich freue mich auch über jeden, der aus Werder den Weg findet.
Es geht mehr um die Vernetzung?
Ja, und auch um die Vernetzung mit der Stadt und den anderen Akteuren bei uns auf dem Gelände. Das Open Air mit Bosse kann beispielsweise nur stattfinden, weil das Hans Otto Theater auf eine bereits gebuchte Veranstaltung verzichtet. Wir wollen auch im Sommer Workshops anbieten für Jugendliche im Bereich Kunst und Kultur – in Zusammenarbeit mit dem T-Werk und der fabrik.
Es herrscht also keine Konkurrenz unter den verschiedenen Akteuren auf dem Gelände?
Überhaupt nicht. Das befruchtet sich gegenseitig und ich hoffe, dass es künftig viel mehr gemeinsame Aktionen geben wird.
Ein Problem bei dieser Ballung von Spielstätten ist die Verkehrsanbindung. Unter der Woche kommt man nach den Veranstaltungen nur ganz schlecht weg, in Richtung Babelsberg fährt nach 23 Uhr gar nichts mehr. Gab es da schon Gespräche mit der Stadt?
Es gibt momentan Gespräche von der Schiffbauergasse als Verbund mit dem ViP, damit zu wichtigen Zeiten ein massiverer Nahverkehr angeboten werden kann. Mein Wunsch wäre es, wenn direkt auf dem Gelände, gleich hier am Parkhaus, jede Stunde ein Bus fahren würde.
Ein Shuttlebus zum Hauptbahnhof?
Vielleicht. Aber so schlecht ist die Anbindung auch nicht, mit dem Fahrrad zum Beispiel ist sie wirklich gut, mit dem Auto auch. Und so flexibel kann ja auch der ViP nicht reagieren. Aber bestimmt kann man noch etwas verbessern. Wir sind ja stetig dabei, uns zu verbessern.
Es gibt also noch Luft nach oben?
Es soll ja auch nicht darum gehen, immer alles ausverkauft zu haben. Lieber wäre uns der Ruf, dass wir außergewöhnliche, neue Musik, Nischenmusik anbieten können und dass solche Konzerte auch angenommen werden. Das muss man aber mittel- bis langfristig erreichen.
Sie wollen also nicht nur kultureller Dienstleister, sondern auch Entdecker sein?
Wir sind, was die Vielfältigkeit unseres Programms angeht, auf einem guten Weg. Da ist eine enorme Bandbreite vorhanden, auf die wir sehr stolz sind. Die kann man aber noch verfeinern.
Wie denn?
Es gibt viele Ideen. Ein Anfang war, als wir im Januar das Konzert „The Art Of Piano“ veranstaltet haben. Das war ein Erfolg mit einem neuen Format, und die Fortsetzung folgt, etwa mit „The Art Of Blues“ oder „The Art Of Grober Unfug“. Wir hatten also etwas für das ältere Publikum, und ein paar Tage später Käptn Peng in der Arena, wo 1300 junge Leute abfeierten.
Die Mischung macht es also?
Wir wollen ein Haus sein, das hybrid ist, wir haben auch noch eine Tanzschule, den Kunstraum, da findet sehr viel statt. Und da immer wieder den Fokus zu finden, das ist eine Herausforderung. Aber das gelingt uns ganz gut. Und besser werden bedeutet, diese Bereiche auch besser zu verzahnen. Damit die Leute sagen, im Waschhaus ist nicht nur eine Party oder ein gutes Konzert, sondern da geht noch viel mehr.
So, dass Leute einfach ins Waschhaus gehen, ohne zu wissen, was gerade auf dem Programm steht?
Das wäre die Idealvorstellung. Sich einfach überraschen zu lassen.
Was wird in Zukunft anders, was ist Neues geplant?
Es gibt noch ein Thema, das mich umtreibt – und das hat mit Sport zu tun. Wir haben richtig viel Platz vor dem Haus. Da könnte vielleicht etwas passieren. Sport hat ja auch eine soziokulturelle Dimension. Da könnte ich mir etwas vorstellen, ohne ins Detail gehen zu wollen.
Das Gespräch führte Oliver Dietrich
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