Kultur: „Wo so wenig ist, ist auch eine Kiefer etwas“
Andreas Kämpfers fotografische Reise auf den Spuren Fontanes – zu sehen in der Landeszentrale
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Er hat sich auf den Weg gemacht, „wie ein Spaziergänger, der einzelne Ähren aus dem reichen Felde zieht.“ Die Worte Fontanes klangen allerorten in seinen Ohren, als Andreas Kämpfer das „triste“ Trebbin durchquerte, den Trommeln der „pflichtschuldigen Großbeerener“ lauschte, der „Öde“ von Saarmund nachspürte. Was fand der Fotograf heute vor, als er sich wie einst Fontane vor hundert Jahren auf Wanderschaft begab? Sind Öde und Tristess abgeworfen, konnten sich die stillen verschwiegenen Orte behaupten, die der Literat so bestechend genau und kritisch beschrieb?
Die Ausstellung in der Landeszentrale für politische Bildung, in der Andreas Kämpfer zum ersten Mal seine Fontane-„Spiegelungen“ zeigt, überrascht und enttäuscht zugleich.
In Saarmund zeigt sich das Haus mit der Aufschrift „Zur Stadt Leipzig“ noch immer marode. Wirtshausschilder wie dieses lasen sich für Fontane fast „wie Grabschriften über eine Zeit, die nicht mehr ist“. Daran scheint sich bis heute nichts geändert zu haben, glaubt man Kämpfers Foto, auf dem sich ein kunstvoll geschmiedetes Treppengeländer unter dem Wildwuchs der Natur kaum noch abzeichnet. Doch anders als Fontanes „Wanderungen“ mit dem weitschweifenden Blick, bannt ein Foto nur einen kleinen Ausschnitt. Und suggeriert doch mehr. Das einstige schmucke Gasthaus aus einer Zeit, als Saarmund noch pulsierend an der großen Straße nach Sachsen lag, ist zwar noch immer eine Brache, aber inzwischen hat sich der Ort durchaus wieder gemausert. Kämpfers Brandenburg-Bilder picken aber nicht denunzierend Schmuddelecken heraus. Man spürt schon den liebevollen Blick auf sein Brandenburg: ein Besinnen auf das Abenteuer der Nähe. Der in Rangsdorf lebende Fotograf fuhr in die Rauener Berge, über die Fontane nur spöttelte: „Wo so wenig ist, ist auch eine Kiefer etwas.“ Selbst den Markgrafenstein, eines der „sieben Weltwunder Brandenburgs“, hätte Fontane fast links liegen gelassen, weil er ihm zu mickrig erschien. Bei Kämpfer wirkt dieser Stein geradezu kolossal. Der Schatten eines Menschen spiegelt sich auf der versteinerten Haut wie ein Winzling. Die emporgestreckten Arme, die so tun, als wollten sie das „Wunder“ heben, sehen kläglich dabei aus.
Kämpfer wählte für seine „Wanderungen“ mal Schwarz-Weiß, mal Farbe. Bei den meisten seiner Coloraufnahmen veränderte er den Ton, als wenn er ihm einen nostalgischen Touch abtrotzen will. Das erschließt sich in dieser Konsequenz nicht immer. Die verwaschenen Farben, in die er das einstige Landwarenhaus Blumberg mit den vernagelten Schaufensterscheiben taucht, fangen diesen Zustand des Nicht-Mehr und Noch-Nicht sehr gut ein. Inhaltlich ließe sich das auch bei der Serie über die Großbeerener Gedenkparade zum 23. August 1813 sagen. Aber das permanente Verwischen der Töne nimmt den Fotos auch ihre Prägnanz und dem Besucher die Konzentration auf das einzelne Motiv, die durchaus origninell und auch augenzwinkernd daher kommen. Man kann aber durchaus auch die Betrachter verstehen, die ins Gästebuch notierten: „Die Bilder sind in keinster Weise ansprechend und können den Zitaten nicht genügen“ oder „Bei Color fragt man sich, ob überaltertes Orwo-Material verwendet wurde.“ Der routinierte Kämpfer wählte natürlich bewusst den „Schleier“ der Geschichte, wie in einem Fotoalbum, wo die in die Jahre gekommenen Farbaufnahmen immer mehr verblassen. Doch wie er betont, wollte er nicht optisch Literatur widerspiegeln, sondern genau so wie damals Fontane den Reiz des Naheliegenden fassen. Dazu braucht es auch die Klarheit des unwiederbringlichen Augenblicks – neben der verschwiemelten Augentäuscherei.
Bis 30. September, Landeszentrale für politische Bildung, H.-Mann-Allee 107, Mo - Mi 9 bis 18 Uhr, Do u. Fr 9 bis 15 Uhr.
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