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Kultur: Wunderkinder

Vier junge russische Pianisten stimmten im Thalia auf den Film „Die Konkurrenten“ ein

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„Das Ziel ist, Konzertpianistin zu werden“, sagt Irina in die Kamera. Sie ist acht Jahre alt und Schülerin an der Zentralen Musikschule in Moskau. Mit drei weiteren Mitschülern gehört Irina zu den Protagonisten von Irene Langemanns Dokumentation „Russlands Wunderkinder“, der im Jahr 2000 auf der Berlinale gezeigt wurde. Zehn Jahre später sind die vier in einem neuen Film derselben Regisseurin wieder dabei, allerdings lautet der Titel jetzt „Die Konkurrenten“. Im Babelsberger Thalia-Kino wurden nicht nur Ausschnitte aus beiden Filmen gezeigt, sondern die vier Darsteller präsentierten auch am Konzertflügel bravouröse Kostproben ihres Könnens.

Die heute 20-jährige Irina Tschistjakowa brilliert mit dem Nocturne op. 2 von Frédéric Chopin und der äußerst virtuosen Ungarischen Rhapsodie Nr. 12 von Franz Liszt. Der 22-jährige Dimitri Krutogolovy spielt den zweiten Satz „prestissimo volando“ aus der Sonate op. 4 von Alexander Skrjabin und zeigt bei seiner eigenen Komposition mit dem schlichten Titel „Sonate“, dass er Virtuosität mit Kreativität zu kombinieren weiß. Auch Nikita Mndoyants, 21 Jahre, erweist sich als Hochleistungs-Pianist bei Präludium und Fuge von Sergei Tanejew. Seine eigenen „Variationen über ein Thema von Paganini“ faszinieren mit rekordverdächtigen Klangeffekten. Zurückhaltend und anmutig erklingen zwei melodiöse Bagatellen von Ludwig van Beethoven, die von Elena Kolesnitschenko, 29, dargeboten werden. Ihre Wiedergabe von Maurice Ravels „La valse“ lässt allerdings keinen Zweifel, dass sie ebenso wie ihre Mitschüler vor keiner technischen Hürde zurückschreckt und die virtuose Klaviermusik meisterhaft beherrscht. Wie sie solch eine Perfektion erlangt haben und was aus ihren hochfliegenden Träumen geworden ist, wurde in kurzen Filmausschnitten nur angerissen.

Drei der vier hochbegabten Kinder stammen aus Musikerfamilien und hatten Klavierlehrer als Elternteil. Stets ist der Vater oder die Mutter dicht dabei, wenn geübt wird, zwischen vier bis sechs Stunden pro Tag. „Für uns war diese Kindheit natürlich, nichts Aufgesetztes“, erklärt Nikita, der mit seinem zehnjährigen Mitschüler und Freund Dmitri über die ersten eigenen Kompositionen fachsimpelt. Nikita fragt seinen Mitschüler, wann er die ersten Variationen komponiert habe. Die Antwort „mit sechs Jahren“ verwundert eigentlich nicht, sie passt in das Milieu. Schließlich hat Irina schon mit acht Jahren dem Papst ein Impromptu von Chopin vorgespielt, haben alle an zahlreichen internationalen Wettbewerben teilgenommen. Genau genommen waren sie schon in der Kindheit Konkurrenten, doch erst nach Ende des Studiums treffen sie auf den rauen Wind der Wirklichkeit in Gestalt des Marktes für E-Musik.

Allein auf sich gestellt, realisieren sie, dass sie nicht die einzigen Meisterpianisten sind, die sich in diesem äußerst harten Geschäft einen Platz erkämpfen wollen. Manch einer von ihnen muss nun erfahren, dass der frühe Traum vom großen Ruhm als Solist auf den internationalen Konzertpodien trotz Talent, Fleiß und Disziplin überraschend schnell enden kann. Auch wenn es im gut besuchten Thalia-Kino gar nicht danach klingt, als zum Schluss alle vier gemeinsam ein fetziges Arrangement von Robert Schumanns fröhlichem Landmann spielen und die deutsch-russische Regisseurin Irene Langemann die Gelegenheit nutzt, um flammend für den „Erhalt der Hochkultur“ aufzurufen. Babette Kaiserkern

Der Film läuft ab Donnerstag, 16.45 Uhr, im Thalia, Rudolf Breitscheid Str. 50

Babette Kaiserkern

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