Weihnachten ist noch nicht vorbei. Bis zum 6. Januar, dem Fest der Erscheinung Christi, kann man nichts falsch machen, wenn man Bachs Weihnachtsoratorium aufführt. Dirigent Ud Joffe wählte den Neujahrstag 2012 für die Interpretation der Kantaten 4 bis 6, die vielleicht nicht die magische Anziehungskraft haben, wie der erste Teil. Dennoch war die Erlöserkirche sehr gut besucht, wollte man das neue Jahr doch mit besinnlicher und froh machender Musik beginnen.
Während der erste Oratoriumsteil die Geburt Jesu, die Hirtenverkündigung und die Anbetung der Hirten thematisiert, kommen in den drei anderen Kantaten die Beschneidung und Namensnennung Jesu sowie die Ankunft und Anbetung der Weisen aus dem Morgenland zur Sprache. Ud Joffes Wiedergabe machte deutlich, dass das Weihnachtsoratorium lebendige Predigtmusik ist, die farbige Bilder aufweist und von zeitloser Schönheit sind.
Für die Wiedergabe konnte sich der Dirigent auf engagierte Mitwirkende verlassen. Insonderheit auf die Potsdamer Kantorei sowie auf das Neue Kammerorchester Potsdam. Der Chor, der ansonsten mit mehr als 120 Sängerinnen und Sänger aufwartet, trat diesmal mit deutlich weniger Kantorei-Mitgliedern auf das Podium. Das tat der Transparenz des Chorklangs gut. Fast kammermusikalisch und ausbalanciert wurde gesungen, wobei man die Tenor-Besetzung bei einem Laienchor derzeit als fast herausragend bezeichnen darf. Schlank, gerade, beweglich und glanzvoll wussten die zehn Herren ihren Part zu intonieren. Ud Joffe wuchert mit den Chor-Pfunden und lässt den Klangkörper strahlen wo immer es sich anbietet. Er nutzt den Drive der Sängerinnen und Sänger zu schönen, spannungsreichen Steigerungen. Bei den Tempi neigt er durchaus auch mal zu Extremen, beispielsweise bei dem überaus forsch vorgetragenen Chor „Ehre sei Dir, Gott, gesungen“. Mit großer Wärme und anrührender Schlichtheit, hin und wieder von konzertierenden Instrumenten ausgeschmückt, wurden die Choräle geboten.
Das Neue Kammerorchester Potsdam musizierte auch in diesem Konzert konzentriert und mit großer Motivation. Ein weitgehend schlanker und vibratoloser Ton herrschte vor, der die Musik auch im rasanten Vorwärtspreschen kristallklar erscheinen ließ. Herausragend waren vor allem die Geigensoli, zupackend und mit äußerster Transparenz musiziert. Und die Trompeten verbreiteten festlichen Glanz.
Auch für dieses Konzert musste ein Sänger wieder wegen Krankheit absagen. Für Lothar Odinius kam Corby Welsch, der der umfangreichen Tenorpartie bei allem Bemühen an diesem Spätnachmittag stimmlich und gestalterisch weitgehend leider nicht gewachsen war. Obwohl ihr die heikle Echo-Arie gut gelang, verströmte Esther Hilsberg in dieser Aufführung insgesamt nicht den Sopranglanz, den man bei ihr ansonsten so schätzt. Ulrike Bartsch hatte die Alt-Partien übernommen, die im zweiten Teil jedoch nicht so umfangreich wie im ersten waren. Aber sie überzeugte mit warmem, schönem Timbre und einer beeindruckenden Interpretation des Textes. Den wusste auch der Bariton Raimund Nolte trefflich zu gestalten. Mit seiner Ausstrahlung und Präsenz, seiner stimmlichen Kultur bot er die musikalisch ansprechendste Leistung der Solisten dieses Konzerts.
Die Zuhörer erlebten an diesem ersten Tag im Jahr eine insgesamt beglückende und selbstbewusste Aufführung des Bach’schen Weihnachtsoratoriums, die die Zuhörer mit viel Beifall und lauten Jubelrufen feierten. Klaus Büstrin
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