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Kultur: „Zille hat mir jemalt“

Gespräch mit dem Komponisten Klaus Wüsthoff zu „Der große Schwoof“ am BT

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Ein echter Berliner, denkt man bei der Begrüßung an der Tür seines Hauses in Nikolassee. Der Tonfall ist unüberhörbar berlinisch. Und Klaus Wüsthoff: „Ja, ick bin ein echter Berliner.“ So kann der Besucher sich vorstellen, dass er der richtige Komponist für „Der große Schwoof“ sein wird. Ein Berliner Musical. Klaus Wüsthoff schrieb die Musik und Bernd Köllinger ist für die Idee und den Text verantwortlich. Heinrich Zille, der „Maler von Berlin“ ist die Hauptfigur des Theaterstücks, obwohl er nicht vorkommt. Es sind Zilles Figuren um 1900, die lebendig werden sollen, Figuren, voll Berliner Humor und Schlagfertigkeit, die versuchten, aus dem damaligen sozialen Elend das Beste für sich zu machen. Keine Revolutionäre.

Heute Abend wird „Der große Schwoof“ im Brandenburger Theater (BT) zur Uraufführung kommen. Anlass ist der 190. Geburtstag der Spielstätte, die eine bewegte Geschichte aufzuweisen hat, in den vergangenen Jahren jedoch besonders schwer gebeutelt wurde, so dass sie heute nicht mehr über ein Schauspiel– und Musiktheaterensemble verfügt. Jedoch über ein wunderbares Orchester: die Brandenburger Symphoniker. Ihr Chefdirigent Michael Helmrath lässt es sich nicht nehmen, das Musical musikalisch selbst zu leiten. Die Darsteller kommen aus Berlin, Brandenburg und anderswo. Sie dürfen so manche Lieder singen, die unter die Haut gehen, die instinktsicher und volkstümlich den Ton der Zille-Zeit treffen, aber nicht altmodisch wirken. Klaus Wüsthoff hat seiner Musik so manch Jazziges beigegeben. Ansonsten sind der Berliner Walzer, der Schieber, der Rheinländer, die Polka und der CanCan im Stück zu finden – Tänze, die vor 100 Jahren in Berlin gang und gäbe waren.

Kaum, dass unser Gespräch begonnen hat, will der Komponist musikalische Beispiele hörbar machen. Er setzt sich an den Flügel, spielt und singt Lieder vor. Darunter haben einige das Zeug, zu beliebten Ohrwürmern zu werden.Der Gesprächspartner wurde von der Musik jedenfalls angesteckt und hat fleißig mitgesungen.

Klaus Wüsthoff sollte ursprünglich die Komposition gar nicht übernehmen. Bernd Köllinger, früher Ballettdramaturg an der Komischen Oper Berlin, bat zunächst Gerd Natschinski, die Musik für die vorgesehene Ballett-Revue zu schreiben. Doch Natschinski war dazu gesundheitlich nicht in der Lage. Er empfahl Klaus Wüsthoff. Der sagte zu. Aus der Revue wurde aber aus finanziellen Gründen der Liederabend „Zille und sein Milljöh“ für eine Diseuse, einen Schauspieler und einen Pianisten. Nahezu 400 Mal hat man das Stück bisher im Theater im Nikolaiviertel in Berlin gespielt. Aber Klaus Wüsthoff wollte die Hinterhofgören, die gescheiterten Existenzen, Liebeshungrigen und Illusionslosen, über die Heinrich Zille so liebevoll Geschichten erzählte, als Theaterstück auf der Bühne sehen. Und heraus kam das Musical „Der große Schwoof“ mit einer Reihe neuer Lieder. Das Hansa-Theater in Berlin wollte es herausbringen, doch es ging in Konkurs.

Nun kommt es also nach Brandenburg. „Ich habe noch nichts von der Inszenierung gesehen“, erzählt Klaus Wüsthoff. „Ich lass“ mich überraschen.“ Der Komponist ist guter Dinge und überzeugt, dass die singenden Schauspieler unter der Regie von Peter Fabers den richtigen Ton für die Lieder und die Darstellung treffen. An der Uraufführung sind unter anderen Heike Jonca, Ines Rabsilber, Christiane Ziehl, Ursula Staack, Manfred Schulz und Michael Seeboth beteiligt.

Klaus Wüsthoff hat stets so komponiert, dass man seine Musik auf Anhieb „versteht“. Bei ihm gab und gibt es keine Grenzen zwischen U- und E- Musik. Nach dem Kompositions- und Kapellmeister-Studium an der Berliner Hochschule für Musik übernahm Wüsthoff 1953 beim RIAS die Position eines Aufnahmeleiters, speziell für das große Unterhaltungsorchester. Später wurde er Leiter der Abteilung „Tanzmusik“ und arbeitete unter anderen mit dem Orchester Werner Müller zusammen.

„Damit ich endlich wieder mehr Zeit zum Komponieren fand, gab ich die Tätigkeit beim RIAS auf und wurde freischaffend.“ In den folgenden Jahren war er unter anderem am Berliner Schiller- und Schloßparktheater als Bühnenkomponist tätig, schrieb außerdem zahlreiche unterhaltende symphonische Werke für große Orchester. Auch Kindern galt seine kompositorische Aufmerksamkeit. Vor allem „Das Kuscheltierkonzert“ erlebte unzählige Aufführungen in Deutschland und darüber hinaus.

So mancher Potsdamer machte ebenfalls die Bekanntschaft mit Klaus Wüsthoff. Erstmals 1976. Der damalige Kantor der Bethlehem-Kirchengemeinde Babelsberg, Hans-Jörg Lippert, führte die „Weihnachtskantate für junge Leute“ des Westberliner Komponisten mit seinem Chor und singenden und musizierenden Gästen auf. Der Aufführung war ein großer Erfolg beschieden. Die teils rockige und jazzige Musik der Kantate war für die meisten Kirchenchorsänger und Zuhörer Neuland. Aber ihre Begeisterung für die Musik übertrug sich auf alle, die dabei waren. Über 20 Mal hat Hans-Jörg Lippert die Wüsthoff-Kantate dirigiert.

„Mit den Potsdamer Turmbläsern habe ich ebenfalls zusammengearbeitet. 88 Volkslieder habe ich für das Ensemble bearbeitet, die dann in drei Bänden in der Edition Noetzel veröffentlicht wurden.“

Der Komponist hofft natürlich, dass „Der große Schwoof“ nach der Brandenburger Uraufführung sich auf den Bühnen durchsetzt. Er geht nochmals zum Flügel, spielt und singt das Hauptlied des Musicals: „Zille hat mir jemalt“ – eine bewegende Liebeserklärung an Berlin.

Uraufführung heute 20 Uhr im Brandenburger Theater. Weitere Aufführungen: 7.10., 15 Uhr, 12.10., 1930 Uhr.

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