Symphonic Swing auf dem Weberplatz: Zuckerwatte für die Ohren
Gene Krupas Schlagzeugsolo von „Sing, sing, sing“ gehört zu den stärksten Momenten der Swing-Ära. Wie ein sanftes, aber eindringliches Donnergrollen klingen die Toms – hier kommt was Neues.
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Gene Krupas Schlagzeugsolo von „Sing, sing, sing“ gehört zu den stärksten Momenten der Swing-Ära. Wie ein sanftes, aber eindringliches Donnergrollen klingen die Toms – hier kommt was Neues. Aufbruch. Lust. Lebensfreude. Was 1938 Furore machte, kommt heute immer noch gut. Vergangene Samstagnacht spielte Joes Big Band den Klassiker auf dem Weberplatz. Als großartigen Abschluss eines ebenfalls großartigen zweistündigen Konzerts des Sinfonieorchesters Collegium Musicum Potsdam und Ausdruck der Erleichterung: Der drohende Regen war, bis auf ein paar Tropfen, ausgeblieben.
„Wir müssen und werden draußen spielen, wir sind in diesem Jahr zu viele, als dass wir in die Kirche gehen könnten“, hatte Knut Andreas, der künstlerische Leiter, zuvor angekündigt. Denn zu den 70 eigenen Orchestermitgliedern kamen bei der diesjährigen Klassik am Weberplatz außergewöhnlich viele Gäste dazu: Aus Fürstenwalde „Joes Big Band“ – 20 leidenschaftliche Musiker um Joachim Seidler. Aus Berlin kam Marc Secara, der als großer, frischer Jazzsänger gilt. Und der sich über den „Luxussound“ einer so großen Besetzung freute – ebenso wie die gut 2000 Besucher der Konzertnacht.
Dann kamen sie, die Hits der Jazz- und Swing-Ära, von Frank Sinatra, Glenn Miller und Michael Bublé, Lothar Brühnes „Ich brech’ die Herzen der stolzesten Frau’n“ und Kurt Weills „Mackie Messer“. Mal Big-Band-Solo, mal Orchester, mal im satten Zusammenspiel.
Marc Secara, in Nadelstreifen und – selbstverständlich – schwarzen Lackschuhen, sang mit einer unaufgeregten Lockerheit, als wäre das alles ein leichter Spaziergang, ein Flug durch die Welt großer Gefühle, „Come fly with me“, „Fly me to the moon“ und „Have you met Miss Jones“, und regte an, bei „The Way you look tonight“ , einer der, wie er findet, „schönsten Balladen“, dem Nachbarn die Hand aufs Knie zu legen: „Wer weiß, vielleicht ergibt ich ja was“, sagte Secara. Richtig schmalzig wurde es bei „Now and forever“, ein Titel wie geschaffen für einen Heiratsantrag. „Wenn Sie das heute Abend machen, dann singe ich bei Ihrer Hochzeit“, versprach er. Aber – schade – niemand wollte sich trauen.
Zum Heulen schön war Bert Kaempferts „I can’t help remembering you“, eine traurig-melancholische Liebeserklärung, anfangs nur mit Harfe begleitet, bis zuckerwattezart die Streicher einsetzten, so leise, dass man noch einzelne Zikaden zirpen hörte, während im blauen Licht Nachtfalter tanzten. Frischer und sogar zum Mitsingen gestaltete sich „Pennsylvania 5 6000“: ein Song über eine Telefonnummer. Immer nach dem Tönen einer historischen Klingel aus den 30er-Jahren musste das Publikum die Meldung jener Nummer machen. Nicht ganz einfach – aber sehr spaßig.
Von Anfang an wurde dazu auf dem extra aufgebauten Podest getanzt. Stilecht natürlich, Swing und Lindy Hop. Kann man beides prima in Potsdam lernen, in der fabrik in der Schiffbauergasse, immer donnerstags, sagte eine der Tänzerinnen.
Und dann war da ja noch der zeitgleich stattfindende Fußballkrimi Deutschland gegen Italien. Aber sowohl Knut Andreas als auch Marc Secara gingen locker mit der Konkurrenz um, ab und zu wurde der Spielstand verkündet, die Zuschauer blieben. Ohne Zugabe ließen sie die Musiker nicht einpacken. Steffi Pyanoe
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