
© Johanna Bergmann
Kultur: Zusammen wachsen
Die Künstler der Panzerhalle legen mit Geflüchteten einen Pleasure Ground an
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Gesät hat die Idee natürlich Peter Joseph Lenné, Potsdams großer Gartenkünstler – und zwar gleich um die Ecke. Am Glienicker Schloss hatte er um 1816 Preußens ersten Pleasure Ground angelegt. In England gab es diese Vor-Gärten seit der Renaissance. Jetzt haben die Künstler der Ateliergemeinschaft Panzerhalle in Groß Glienicke das Konzept wieder ausgebuddelt. Und transformiert, darum geht es ja in der Kunst.
Allein die Bezeichnung Pleasure Ground lässt die Gedanken schon hüpfen, eine Spielwiese stellt man sich vor, einen Lust-Garten. Das Original bleibt dahinter eher zurück: Es war schlicht die mit Beeten und Blumen ausgeschmückte Rasenfläche zwischen Schloss und eigentlichem Park. Der deutsche Landschaftskünstler Hermann Fürst von Pückler-Muskau erklärte den Pleasure Ground so: „Wenn der Park eine zusammengezogene idealisierte Natur ist, so ist der Garten eine ausgedehntere Wohnung, man setze auf diese Art die Reihe der Gemächer, in vergrößertem Maßstab unter freiem Himmel fort.“
Wohnung und Kunst in den Garten fortsetzen, darum geht es auch den Künstlern der Panzerhalle. Gleich nebenan, im langen Flügel des Gebäudeareals, sind seit vergangenem Jahr Geflüchtete untergebracht, vor allem aus Syrien. Ein wilder Garten liegt zwischen ihnen und den Ateliers – säuberlich getrennt durch einen Maschendrahtzaun. „Den wollen wir überwinden“, sagt Birgit Cauer, eine der Künstlerinnen. Zusammen mit Flüchtlingen bauen sie an einer Hütte, die den Zaun an einer Stelle überstülpt. Ein Haus, begehbar von beiden Seiten – und jede kann entscheiden, ob und wann sie den Gemeinschaftsraum, der so entsteht, öffnet oder schließt. Begegnung auf Augenhöhe. Und an der Grenze. „Nach vielen Gesprächen mit den Männern, Frauen und Kindern war klar: Alle wünschen sich einen Raum um zusammenzusitzen, zu lachen, Tee zu trinken“, sagt Cauer. Bisher gibt es nur ein Fundament aus Europaletten, in den kommenden Wochen soll das Gartenhaus aber fertig gebaut werden. „Schon als ich die mit einem syrischen Vater und seinen Söhnen abgeholt habe, hatten wir so viel Spaß“, sagt Cauer. Verständigungsprobleme? „Quatsch. Die Kinder gehen ja zur Schule, die sind die besten Übersetzer.“
Erst einmal wird aber an diesem Sonntag der Panzerhallen-Garten für alle geöffnet, dann stellen Birgit Cauer, Katja Sehl und Ilse Winckler das Projekt Pleasure Ground vor – begleitet von Musik von Julia Antonia, einer Performance von Carsten Hensel – er wird für Verstörung in Form von Verformung sorgen und ein Loch im Lustgarten ausheben – und einer „Aktion Sand“ von Vera Oxfort. Über 500 Kilogramm Sand – aus der syrischen Wüste ist er nicht – wird sie in einen etwa fünf Quadratmeter großen Metallring im Boden gießen. Erst mit der Zeit, wenn Pflanzen hindurchwachsen, der Wind ihn verweht oder Tiere ihre Spuren darin hinterlassen, wird er zum Kunstwerk.
Das Zufällige, Gewachsene mischt sich im neuen Pleasure Ground mit der Kunst – wie die wilde, saftig grüne Schilfoase mitten in der Wiese, die im immer noch feuchten Untergrund eines früheren Teichs sprießt und die an die Orte der Begegnung grenzt. Das Schnittmengenbeet etwa, in dem Heilkräuter aus dem Nahen Osten und aus Europa gedeihen. Manche wachsen in beiden Regionen und verbinden so, was sich fremd ist. Die Hütte übrigens wird bei Regen zur Klanginstallation – das satte Geräusch von Tropfen auf Wellblech hatte sich eine der Flüchtlingsfrauen gewünscht. Ariane Lemme
Begegnung im Pleasure Ground am Sonntag ab 16 Uhr im Garten des Atelierhauses Panzerhalle, Seeburger Chaussee 2, Groß Glienicke
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