zum Hauptinhalt

Kultur: Zwischen Archaik und Moderne

„Musik zur Sterbestunde“: Der Vocalkreis Potsdam mit selten zu hörenden Passionskompositionen zum Karfreitag

Stand:

„Musik zur Sterbestunde“: Der Vocalkreis Potsdam mit selten zu hörenden Passionskompositionen zum Karfreitag Innere Einkehr, Buße und Fasten sollen die Zeit zwischen Aschermittwoch und Ostern für Christen bestimmen. Sie gipfelt im Karfreitag, dem höchsten Feiertag der evangelischen Kirche. Sein Name beruht auf dem mittelhochdeutschen Wort „chara“ für „Trauer, Klage“. An diesem Tag schweigen traditionell vielerorts Glocken und Orgel. Aber auch für diese dunkle Zeit wurden besondere Kirchen-Kompositionen verfasst, die inhaltlich geprägt sind von Verzweiflung, Ehrfurcht und Zuversicht. Einen Einblick in selten zu hörende Passionskompositionen aus zwei Jahrhunderten gab der Vocalkreis Potsdam unter der Leitung von Kirchenmusikdirektor Matthias Jacob in der „Musik zur Sterbestunde“. Während erste Blüten auf den Beeten im Park Sanssouci schon vom Frühling kündeten, hatten viele Menschen zu der ernsten Musik in die gut gefüllte Friedenskirche gefunden. Der vor bald 20 Jahren von Matthias Jacob gegründete Vocalkreis hat unter den nicht wenigen Potsdamer Chören einen festen Platz im Musikleben der Stadt. Vom hohen musikalischen Rang und Engagement seiner rund 30 Mitglieder zeugte das Karfreitagskonzert. Zum Gesang gesellte sich bei einigen Stücken die Cammermusik Potsdam mit Konzertmeister Wolfgang Hasleder. Tobias Scheetz trug an der kleinen Orgel eine Toccata von Girolamo Frescobaldi sowie zwei Orgelchoräle von Johann Sebastian Bach mit dezenter, besinnlicher Stimmung vor. Das kontrastvolle, interessante Programm begann mit Werken von Heinrich Schütz, sprang ins 20. Jahrhundert und endete wieder bei dem Großmeister der evangelischen Kirchenmusik des 17. Jahrhunderts. Aus den „Geistlichen Gesängen“ op. 4 von Heinrich Schütz erklang die Passionsmotette „Aspice pater“ . Das dreiteilige, vierstimmige Werk verströmte eine Aura von inbrünstiger Andacht und flehentlichem Gebet. Mit der Motette von Hugo Distler „Fürwahr er trug unsere Krankheit“ steigerte der Vocalkreis Potsdam sich über die Maßen. Der hochbegabte Komponist, der sich 1942 das Leben nahm, hatte die Kunst der Motette mit polyphonisch schwebenden Klängen, pentatonischen Freizügigkeiten und kontrapunktischer Stimmführung, die an alten Meistern wie Heinrich Schütz orientiert war, ins 20. Jahrhundert versetzt. Die hingebungsvollen Sänger verliehen der Motette mit klangreinen Stimmen, prägnanter Phrasierung und kraftvollem Ausdruck subtil changierende Klänge zwischen Archaik und Moderne. Ebenso ungewöhnlich erklang der Choral „Eli, Eli“ des ungarischen Komponisten Georgius Bardos. Mit vokalen Glissandi abwärts und scharfen dynamischen Kontrasten erklang das mit einer offenen Frage endende Stück expressiv zwischen verzweifeltem Aufschrei und versterbendem Ausklang. Das kleine Geistliche Konzert „Die sieben Worte Jesu am Kreuz“ von Heinrich Schütz setzte die letzten Worte aus den Evangelien nachdrücklich in Musik um. Allerdings geriet das Ensemble hier gelegentlich an seine Grenzen, beispielsweise bei der mangelnden Textverständlichkeit. Zu loben war die Bereitschaft einiger Sänger solistisch hervorzutreten, wobei Sopran und insbesondere der Bass in der Rolle von Jesus, stimmlich eine sehr gute Figur machten. Unter der umsichtigen Leitung von Kirchenmusikdirektor Matthias Jacob überzeugte der Vocalkreis Potsdam mit einer eindrucksvollen, klangschönen Darbietung. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })