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Von Heidi Jäger: Zwischen Lust und Gier
Karl Oppermanns vitale Üppigkeit in der Ausstellung „Innamorati“ in der Galerie Bauscher
Stand:
Das Rot schmettert seine Leuchtkraft wie eine Fanfare in den lichtgetränkten Raum. Das dicht aneinander geschmiegte Paar wird fast überflutet von dieser sich üppig ergießenden Kraft. Doch der aufgeschreckt-trotzige Blick des Mannes lässt ahnen, dass er sich nicht an die Wand drücken lässt von äußerer Gefahr. Mit Beschützerhänden hält er die Liebste, die Zarte, umfangen. Die beiden scheinen unerschrocken und ebenso zerbrechlich wie das Turteltaubenpaar zu ihren Füßen. Eine magische Spannung verströmt dieses Bild „Innamorati“, das der Ausstellung in der Galerie Bauscher den Titel gab. Karl Oppermanns Liebende sind märchenhafte Figuren aus dem italienischen Volkstheater Commedia dell’arte. Sie trotzen in ihrer Innigkeit den Intrigen und scheinen doch wie papierne Falter aus einer anderen Welt.
In dieser feinen Sinnlichkeit fällt „Innamorati“ fast aus dem Rahmen der überbordenden Vitalität, die diese munter fabulierende Schau verströmt. Der 78-jährige Maler, der 25 Jahre als Professor an der Hochschule der Künste Berlin arbeitete, spürt das Leben voller Sinneskraft auf. Seine „Poolfete“ quillt über vor fleischlicher Üppigkeit und farbiger Wonne. Das kleine Kind schmiegt sich fast ängstlich an das frohlockend ausgestreckte, braungebrannte Bein der Mutter, die unter ausladendem Hut ihre sehnsuchtsvollen Blicke versteckt.
Auch im „Schäferstündchen“ tanzt die Lust. Doch der Zweier-Reigen hinkt. Während der Mann machohaft den Ton angibt, folgt ihm die gelbgewandete Schöne fast willenlos im Takt – wie ein entsprungenes Schaf aus der Herde unter ihr. Man sieht förmlich das Augenzwinkern des Malers, wenn er mit breitem heftigen Strich Lust und Schmerz auf die Leinwand bannt, dem Augenblick Dauer verleiht, ohne ihm die Flüchtigkeit zu nehmen. Die Bilder verlieren sich nicht im Detail, Fantasie und sezierender Blick gehen beschwingt Hand in Hand.
Der in Wernigerode lebende Künstler zeigt den Atem des giftdurchtränkten Rausches, ohne in Abgründe zu stürzen. Unbestechlich seine Kritik auf aktuelle Ereignisse, die er in der „Olympia-Bewerbung“ sarkastisch-pointiert auf die Spitze treibt. In seiner „Berolinen Loveparade“ erklärt er die Wahrzeichen der Stadt zur Farce. Eine spärlich bekleidete junge Frau trägt das Brandenburger Tor als Kopfschmuck auf ihrem blauen Haar, die Siegessäule avanciert zum Zepter oder zur Fanfare. Hier regieren die Lust und auch die Gier.
Die „Alten Kameraden“ treiben dem Betrachter gehörig den Spaß aus. Diesen düsteren Gesellen mit zugeknöpftem weißen Hemd und eng gebundenem Schlips möchte man nicht über den Weg laufen. Ihre eiskalten teuflischen Blicke jagen einen Schauer über den Rücken. Die Gesellschaftssatire á la Otto Dix wird allerdings durch ihren Hintergrund konterkariert: Dort schieben wie im Scherenschnitt Frauen unbeeindruckt ihre Kinderwägelchen.
Die spannungsreiche Ausstellung holt weit aus, bezaubert mit wuchtigen, betörenden Blumenbouquets, die kaum in der Vase Halt finden. Collagen aus seinem „Musikalischen Skizzenbuch“ klingen wie Akkorde aus einer beschwingten Operette. Und auch bei seinen Ausflügen in die preußische Geschichte steht der Maler keineswegs stramm.
In „Trommelbub und Trommelbübin“ verbindet Karl Oppermann dem Alten Fritz vorsichtshalber die Augen, so dass er nicht mit ansehen muss, wie seine Soldaten ungeniert dem aufreizenden weiblichen Frohlocken auf den Leim gehen. Wohl nicht nur der Pferdeschwanz des blauen Grenadiers geht in die Höh’, wenn sich unter Spitzenborte warme Schenkel offenbaren. Der entwaffnete Troubadour streckt das Bein über die Trommel und rührt mit dem Schlegel lieber das Fleisch als das Fell.
Zu sehen bis 7. Mai, Mi bis Fr 12 bis 18 Uhr, Sa 12 bis 16 Uhr. Rosa-Luxemburg-Straße 40
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