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Gescheitert? Um ein Naturschutzgebiet zu retten, greift Ulla sogar zum Mittel der Bilderfälschung. Doch ihre Täuschung fliegt auf – mit gravierenden Folgen.

© Dieter Jaeger

Kultur: Zwischen Moral und Hormonen

Studenten der Universität Potsdam gehen der Frage nach, was Jugend ist. Mit Filmen wie „Biologie!“ und „Rock’n’Roll“ von Jörg Foth wollen sie einer Antwort näherkommen

Von Sarah Kugler

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Es ist der ewige Kampf gegen die Hormone. Die krampfhafte Suche nach der Identität und der Weg von der Kindheit in die Erwachsenenwelt. In der Zeit der Adoleszenz, also des Heranwachsens, passiert so viel mit einem jungen Menschen, dass er oft den Überblick über die eigenen Gefühle verliert. Eigene Kulturen werden gebildet, neue Wörter kreiert – alles nur, um sich abzugrenzen. Doch gibt es solche Tendenzen schon, seit es die Menschheit gibt? Ab wann ist Jugend als Begriff überhaupt definiert und mit welchen Problemen haben die Jugendlichen in den verschiedenen Zeitepochen zu kämpfen? Mit diesen Fragen setzen sich derzeit einige Studenten der Universität auseinander.

In dem Seminar „Adoleszenzdarstellungen in Jugendliteratur und Jugendfilm“ vom Institut für Germanistik untersuchen sie gemeinsam mit ihrer Dozentin Heidi Strobel, wie sich die Darstellungen der Jugend in den letzten 100 Jahren verändert haben. Ausgehend vom späten 19. Jahrhundert schlagen sie dabei den Bogen bis zur Gegenwart. Am vergangenen Mittwoch wurden in diesem Zusammenhang die Filme „Rock’n’Roll“ und „Biologie!“ von Jörg Foth im Filmmuseum Potsdam gezeigt, die sich beide mit Jugendkultur in der DDR beschäftigen.

„Die Jugend, so wie wir sie heute kennen, ist eine Erfindung des 19. Jahrhunderts“, erklärte Strobel vor der Filmvorführung. „Seit der ernsthaften Entwicklung des Schulwesens konnten junge Menschen auch so etwas wie Freizeit und somit eigene Kulturen ausbilden.“ Wie sie sagte, seien die beiden Filme von Foth deshalb so interessant, weil sie unterschiedliche Phasen der DDR beleuchten. So zeigt die Kurzdokumentation „Rock’n’Roll“ aus dem Jahr 1987 den Alltag eines jungen Tanzpaares, das sich den 50er-Jahren verschrieben hat. Ein Phänomen, das Foth durch seine ganze Kindheit begleitet hat, wie er am Mittwoch sagte. „In Ostberlin wurde an jeder Ecke Rock’n’Roll getanzt, ich bin mit diesen Bewegungen im Kopf abends eingeschlafen“, erzählte der Regisseur, der an der Filmuniversität Babelsberg „Konrad Wolf“ Regie studierte. „Deswegen hat mich das auch nie losgelassen.“

Genauso wie in seinem späteren Spielfilm „Biologie!“ interessierten ihn dabei die Motivationen der jungen Menschen, wobei der Fokus auf das Erwachsenwerden in Letzterem deutlich stärker hervorgehoben wird. In dem Film erzählt Foth die Geschichte von der Schülerin Ulla, die sich mit voller Überzeugung für die Rettung eines Naturschutzgebietes einsetzt und dabei sogar zum Mittel der Bilderfälschung greift. Als das auffliegt, wird ihr jegliche Chance für den Besuch der Erweiterten Oberschule (EOS) verwehrt. Wie Foth sagte, interessierte ihn dabei besonders, was mit jungen Menschen passiert, wenn sie einem solchen Systemdruck ausgesetzt sind. „Ich wollte wissen, ob sie sich brechen lassen und auch, wie sie mit der Niederlage umgehen“, so der Regisseur, dessen Film am Mittwoch erst das fünfte Mal im Kino gezeigt wurde.

Wie er sagte, sei gerade die Figur der Ulla, die mit ihren Aktionen größtenteils auf sich selbst gestellt ist, interessant für ihn gewesen. Dabei fand er es wichtig, sie nicht nur als strahlende Heldin darzustellen. „Dass sie da zum Beispiel die Bilder fälscht, das sind Punkte, die sie zu einem Charakter machen und die genau diese Unsicherheit in dem Alter aufzeigt“, sagte er. Gleichzeitig legt die Geschichte ihren Fokus aber auch auf eine bittersüße Liebesgeschichte, die Foth auf keinen Fall verkitscht erzählen wollte. „Es ging mir darum, was wirklich in den Köpfen und Körpern der Jugendlichen vorgeht, nicht um irgendwelche romantischen Vorstellungen“, sagte er. „Deswegen auch der Titel, der ja durchaus etwas sperrig für einen Spielfilm ist.“

Für ihn sei es auch ein Anliegen gewesen, die Riten der DDR, wie Fahnenappelle oder eben die Verweigerung der höheren Schulbildung darzustellen. „Das heute auch wieder zu sehen, ist für mich immer mit schmerzhaften Erinnerungen verbunden“, sagte er. Als der Film im Jahr 1990 schließlich herauskam, war vieles von der Brisanz des Films durch die Wende bereits verpufft. „Das war wirklich sonderbar, als ich im November 1990 im Schneideraum saß und zugucken konnte, wie alles unnötig wurde.“

Für die Studenten biete der Film trotzdem thematisch viel, weil er gerade diese Umbruchsphase zeige, so Strobel. In zwei Wochen wird sie sich mit ihren Studenten Dietrich Brüggemanns „Kreuzweg“ ansehen, der den bis zur Erschöpfung führenden Glauben eines jungen Mädchens thematisiert. „Damit schlagen wir auch den Bogen zur Gegenwart“, so Strobel. „Wenn auch natürlich mit einem sehr speziellen Fokus.“ Sarah Kugler

„Kreuzweg“ von Dietrich Brüggemann zeigt das Filmmuseum Potsdam am 24. Juni um 19 Uhr

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