„Staatsdiener“ im Thalia-Kino Babelsberg: Zwischen Moral und Pflicht
Mehrere junge Polizeianwärter diskutieren, welches Verhalten wann angemessen ist. Wie viele Pöbeleien ein Polizist aushalten muss, wie nah er Menschen an sich herankommen lassen darf, welche Grenzen beachtet werden müssen.
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Mehrere junge Polizeianwärter diskutieren, welches Verhalten wann angemessen ist. Wie viele Pöbeleien ein Polizist aushalten muss, wie nah er Menschen an sich herankommen lassen darf, welche Grenzen beachtet werden müssen. Die Meinungen sind so verschieden wie die Menschen, die sie äußern. Denn es sind Menschen, die Dokumentarfilmerin Marie Wilke in ihrem Film „Staatsdiener“, den sie gemeinsam mit Kameramann Alexander Gheorghiu im Thalia-Kino vorstellte, zeigt. Oft wird vergessen, dass sich hinter der blauen Uniform auch Individuen verstecken, die Ängste und Sorgen wie jeder andere ausstehen müssen. „Staatsdiener“ begleitet sie ein Jahr lang bei ihrer Ausbildung an der Polizeifachhochschule Sachsen-Anhalt und zeigt unkommentiert die emotionale Entwicklung, die mit den jungen Menschen vonstattengeht.
Entstanden ist die Idee zu der Dokumentation bei einem Besuch in der Polizeifachhochschule, wie Wilke am Mittwochabend im Thalia sagt. Es war vor allem der Ort, der sie dazu inspirierte, weil er eine Schnittstelle zwischen dem Bürger und dem Staat bilde, so Wilke. „Institutionen haben mich schon immer interessiert und diese besondere Kommunikation, die dort passiert, fand ich spannend.“ Drei Jahre hat sie die FH schon im Vorfeld immer wieder besucht, ist auf Streife mitgefahren und hat gegenseitiges Vertrauen aufgebaut, wie sie erzählt. „Für mich war das auch ein absoluter Glücksfall, dort auf offene Ohren zu stoßen“, so die Regisseurin und Kameramann Gheorghiu ergänzt, dass natürlich am Anfang viele Fragen gestellt wurden, ein Misstrauen aber nie da war. „Wir waren ja auch schon vor dem Dreh lange dort, die Studenten kannten ihr Studium quasi gar nicht ohne uns“, sagt er. An die Kamera hätten sich alle gewöhnt und die Scheu schnell verloren. Als Protagonisten wurden vor allem diejenigen ausgesucht, die Lust auf den Film hatten, so Gheorghiu.
Wahrscheinlich auch deswegen gelingt es dem Dokumentarteam, die Szenen in der FH und auf den Einsätzen sehr unverkrampft und natürlich einzufangen. Dabei waren gerade die Einsätze in Wohnhäusern, die etwa Fälle von häuslicher Gewalt zeigen, nicht immer unheikel, wie Wilke sagt. Oft sei sie nicht gleich mit der Kamera mitgegangen, habe erst mal abgewartet und auch den Menschen erklärt, was sie eigentlich mache. „Spannend war, dass viele sich dann auch gerne mitgeteilt haben, sich ausdrücken wollten“, erzählt sie. Die Menschlichkeit steht auch hier im Vordergrund, besonders aber in der Dokumentation der Studenten. Vor allem eine Polizeianwärterin steht immer wieder im Mittelpunkt, sie äußert oft moralische Bedenken im Umgang mit Betrunkenen, Aggressiven, versucht sich in die betreffenden Menschen hineinzudenken, was von den Kollegen nicht immer akzeptiert wird. „Ihren Weg fand ich besonders spannend, weil sie wirklich sehr menschlich handelt und sich das bis zum Schluss auch bewahrt“, so Wilke. Auch wenn der Blick manchmal etwas abgestumpft wirkt, sei sie nicht gebrochen. Lediglich professioneller sei sie geworden, habe sich emotional etwas justiert, wie die Regisseurin sagt. Diese Verwandlung vom Bürger zum Staatsdiener mit einer enormen Verantwortung habe sie bis zum Schluss fasziniert. Sarah Kugler
„Staatsdiener“ im Thalia-Kino, Rudolf-Breitscheid-Straße 50
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