Kultur: Zwischen Nachtgestalt und Verführerin
Die Kleinmachnowerin Susanne Bormann spielt in „Liegen lernen“ das Traumgirl Britta und kann noch viel mehr
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Die Kleinmachnowerin Susanne Bormann spielt in „Liegen lernen“ das Traumgirl Britta und kann noch viel mehr Von Heidi Jäger Wenn sie den Raum betritt, wird es leise. Ihre wehenden blonden Haare, die sexy Figur und das selbstbewusste Auftreten lassen die anderen aufmerken. Mit größtem Selbstverständnis nimmt die blauäugige Britta das Mikro zur Hand und spricht vor versammelter Schülerschaft über das sinnlose Aufrüsten in der BRD und die notwendigen Protestaktionen. Britta ist ein Mädchen, bei dem die Jungs weiche Knie bekommen und keinen vernünftigen Satz mehr zusammen kriegen. Wenn sie für die Antikriegsschiene plädiert, ziehen die anderen erotisiert mit. Britta weiß um ihre Wirkung. Geschickt wickelt sie ihre Anbeter um den Finger und genießt die Nächte nicht nur mit einem. Susanne Bormann spielt ihre Britta in dem Henk Handloegten-Film „Liegen lernen“ aber durchaus nicht eingleisig. Unter der schönen Fassade bröckelt kaum sichtbar eine verwundete Seele. Die 26-jährige Schauspielerin aus Kleinmachnow ist schon lange kein unbeschriebenes „Film-Blatt" mehr. Ihre künstlerische Vita beginnt bereits im Puppenspielalter. Achtjährig wird sie bei einem Casting für den Michael-Gwisdek-Film „Treffen in Travers“ entdeckt. Die Ähnlichkeit zu ihrer Filmmutter Corinna Harfouch gibt dabei wohl den Ausschlag. „Es war eine ganz kleine Rolle und es war auch nicht so, dass ich danach unbedingt Schauspielerin werden wollte. Aber ich fand das ganze Drumherum aufregend, die fantastischen Kostüme, die Gerüche, die quirlige Atmosphäre im Atelier.“ Es sollte nicht lange dauern, und wieder kommt sie in den Genuss dieses einzigartigen Flairs hinter der Kamera. Diesmal ging Regisseur Horst Seemann für den Streifen „Zwischen Pankow und Zehlendorf“ auf Talentesuche und wurde in der Kleinmachnower Musikschule auf sie aufmerksam. Und wieder war es Corinna Harfouch, die ihr als Filmmutter gegenüber trat. „,Du wieder hier!“, begrüßte sie mich erfreut. Und wir kamen auch diesmal prima miteinander klar.“ Mit 17 den Grimme-Preis Erst einmal im Filmgeschäft bekannt, gelangte das talentierte Mädchen automatisch in die Kartei einer Kinderagentur. „Und da es in diesem Alter noch nicht so viele entdeckte Jugendliche gibt, häufen sich auch die Angebote. Gerade wenn man sich ganz entspannt und ohne jede Scheu auf das Metier einlässt, fällt einem vieles zu. Dieses Glück des Unbedarften verschaffte mir jedenfalls bald neue Aufträge." 1992 war es dann in dem Film „Abgefahren" die Hauptrolle der Patty, die ihr ebenso wie dem Regisseur Uwe Friessner den Adolph-Grimme Preis einbrachte. Die Patty war sie auch in „Nachtgestalten", den zweiten Film, den sie nach „Raus aus der Haut“ mit Andreas Dresen drehte. Wer an diese Rolle zurück denkt, bekommt noch heute Gänsehaut. Susanne Bormann spielte darin mit einer kaum zu übertreffenden Authentizität das Leben einer Heroinabhängigen zwischen stumpfsinniger Anschaffe und dem körperlichen Schmerz, wenn sich Entzugserscheinungen einstellen. „Bereits zuvor hatte ich meist Glück mit meinen Regisseuren, aber mit Andy ganz besonders. Es war nicht nur ein angenehmes Arbeiten, er hat mich auch weit gebracht. Bei diesem Film ging es wirklich ans Eingemachte. Andy nahm mich sehr gut an die Hand und ich folgte ihm mit hundert prozentigem Vertrauen. Schon im Vorfeld hatten wir viel recherchiert, denn wir drangen ja in einen Bereich ein, den man nicht mit eigenen Erfahrungen abdecken kann. Die Gefühle dieser Figur gehörten nicht zu mir. Durch den Kontakt zu einem Mädchen, das Kokain spritzte und sehr offen über ihr Leben erzählte, näherte ich mich dieser fremden Welt. Ihre Aufgeschlossenheit rührte sicher daher, dass sie spürte, wir kommen nicht aus sensationeller Geilheit, sondern aus ehrlichem Interesse, um ein realistisches Bild über die ,Nachtgestalten'' zu zeichnen. Bei der Figur der Patty ging es jeden Tag ums Überleben. In dieser Zeit des Drehens hatte ich große Probleme, mit meinem Freundeskreis zurecht zu kommen. Die ganze heile Welt mit dem so belanglosen Alltagskram konnte ich plötzlich nicht mehr ertragen. Ich war viel zu sehr in Patty versunken. Nach dem Dreh war diese Normalität mit Kino, Klamotten, Quatschen aber wieder okay, und ich sagte: Nichts wie her damit." Die Dreharbeiten zu diesem preisgekrönten Streifen zeigten ihr jedenfalls, dass man mit einem guten Regisseur sehr weit kommen kann. Natürlich ist das Filmen auch ein zeitraubendes Unterfangen, das sich nur schwer mit der Schule vereinbaren lässt: Mit ihrer besonders. „Ich besuchte das Droste-Hülshoff-Gymnasium in Zehlendorf, eine sehr strenge Einrichtung. Jedesmal, wenn ich drehen wollte, gab es Stress. Also wechselte ich aufs Gymnasium nach Teltow, das mir viel mehr Verständnis entgegen brachte. Mein Vorabitur schrieb ich in einem Hotelzimmer in Köln, wo ich gerade an ,Schlaraffenland'' arbeitete.“ Nun doch zur Schauspielschule Nach der Schule sollte es dann mit der Schauspielerei so richtig los gehen - so die Hoffnung Susanne Bormanns. Doch die wurde dann erst einmal gedämpft. Es kamen zwar Angebote, aber nicht die, auf die sie lauerte. „Ich mache nicht jeden Fernseh-Scheiß, dafür ist mir der Beruf zu wichtig. Das wäre das gleiche, als wenn ein Maler nur lauter Kitsch-Bilder malt. Sicher macht man mitunter auch mal Schrunz, vielleicht weil es mit einem verheißungsvollen Urlaub oder einem tollen Regisseur verbunden ist. Aber es darf nicht zu doll weh tun.“ Auch ihr dritter mit Corinna Hafourch entstandener Film „Verdammt er liebt mich“ (1997) sei keine große Filmkunst gewesen, „aber dennoch ein ganz netter Streifen, der immer mal wieder über den Bildschirm flimmert.“ Ursprünglich hoffte die patente und für ihr Alter schon sehr nachdenkliche Künstlerin, auf das Schauspiel-Studium verzichten zu können, wollte „unverbogen“ ihren Beruf ausüben. „Wahrscheinlich wollte ich mich auch ein bisschen darum drücken, hatte vor allem Angst, Theater spielen zu müssen. Es ist nicht meine Art, etwas groß auszustellen.“ Doch schließlich wurde sie auch von Andreas Dresen dazu ermuntert, sich mit einer Ausbildung eine solide Basis für den Beruf zu schaffen. „Die Vorbereitung auf das Vorspiel kostete mich totale Überwindung. Ich studierte die Nastja aus ,Nachtasyl'' ein und auch die Julia aus ,Romeo und Julia'' und fühlte mich verraten und verkauft. Mir liegt die Natürlichkeit einfach mehr.“ Nach ihren Vorsprechen erhielt sie mehrere Zusagen, und entschied sich schließlich für die Hochschule für Musik und Theater Rostock. „Eine sehr entspannte, familiäre Atmosphäre erwartete mich. Ich fühle mich dort gut aufgehoben und erkannt. Es werden die Stärken und die eigene Persönlichkeit gefördert. Keiner bekommt einen Einheits-Schulstempel aufgedrückt.“ Und auch das Drehen muss während des Studiums nicht außen vor bleiben. „Schon in ,Liegen lernen'' konnte ich alles reinpacken, was ich an der Hochschule gelernt habe und es ging vieles einfacher." Inzwischen hat sie auch ihre erste Theaterolle auf die Bühne gebracht: die Thea in „Frühlings Erwachen", „die kleinste Rolle, die es in dem Stück gibt. Doch ich war sehr froh darüber, denn als wir mit den Proben begannen, war ich noch völlig von den Semesterferien ausgepowert, die ich mit dem ,Fliegenden Klassenzimmer'' und Regisseur Tomy Wigand verbrachte: Oft mit einer Sechs-Tage-Woche und wenig Schlaf. Es war der Hammer, und ich kroch während der Drehzeit zu dem im Frühjahr auf die Leinwand kommenden Kinofilm fast auf dem Zahnfleisch. Ich war jedenfalls heilfroh, nach den ,Ferien“ nur eine kleine Bühnen-Rolle einstudieren zu müssen. Wenn man zuviel spielt, möchte man irgendwann nur noch ich selbst sein. Ich brauche die Regenerierung. Von Zeit zu Zeit muss ich mich auch um meinen eigenen Gefühlshaushalt kümmern und nicht nur um den der Fremdfiguren." Durch die jetzige Ausbildung legt sich Susanne Bormann ein gutes Polster auch für ihre künftige Arbeit zu. Sie weiß, sie braucht es. „Bis zum kritischen Alter von 30, 35 Jahren möchte ich mich so gut wie möglich etablieren. Gerade bei Frauen ist das Verfallsdatum sehr hoch, ist man für die Mattscheibe sehr schnell nicht mehr attraktiv genug und nur schwer vermittelbar. Aber in welchem Beruf gibt es heute noch eine sichere Perspektive?" Und so lässt sich die junge aufgeschlossene Frau von Zukunftsängsten nicht einschüchtern. Sie arbeitet weiter an ihren Ausdrucksmöglichkeiten, freut sich auf ihre Auftritte ab Oktober im Theater Rostock und genießt auch die derzeitige Promotion-Tour für „Liegen lassen“, die überall auf eine warme Resonanz stößt. Die nächsten Angebote werden nach diesem weiteren Farbtupfer in ihrer facettenreichen Film-Vita sicher nicht lange auf sich warten lassen. Der Film „Liegen lernen“ läuft zur Zeit im UCI und wird demnächst auch im Thalia gezeigt.
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