Potsdam-Mittelmark: 10 Cent für ein Kilo Kartoffeln
Landwirte leiden nach wie vor unter Preisdruck – und fürchten ein Wegbrechen der EU-Förderungen / Einstand für Vogelsänger
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Potsdam-Mittelmark - Es war kein leichter Termin für Brandenburgs neuen Infrastruktur- und Landwirtschaftsminister Jörg Vogelsänger (SPD): Auf der Jahresversammlung des mittelmärkischen Kreisbauernverbandes (KBV) in Beelitz musste er gestern Stellung beziehen, wie die Agrarpolitik im Land künftig aussehen soll. In den vergangenen Wochen hatte es Kritik an der Neubesetzung der Führungsposten im Agrarministerium gehagelt: Sowohl Vogelsänger als auch Staatssekretär Bretschneider sind eher Bau-Experten. Die Bauern fühlen sich unterrepräsentiert, auch in Anbetracht geplanter Stellenkürzungen in der Landwirtschaftsabteilung um die Hälfte. „Davon ist nun aber keine Rede mehr“, beruhigte Vogelsänger gestern die Gemüter.
Sein Haus stehe für eine Landwirtschaft mit Zukunft, sagte der Minister und reagierte auf die Kernforderungen der Bauern mit Wohlwollen. So sei die Kofinanzierung der EU-Förderungen im aktuellen Haushaltsentwurf des Landes gesichert: Allein 16 Millionen Euro aus Potsdam seien für märkische Landwirte als Direktzahlung eingeplant. Der Haushalt soll im Mai verabschiedet werden. Vogelsänger verwies zudem auf Fördertöpfe wie den für die „Integrierte Ländliche Entwicklung“ (ILE): Auch Betriebe könnten sich auf diesem Wege Investitionen bezuschussen lassen. Ansonsten liege ein Schwerpunkt der ILE-Förderung in der Mittelmark auf dem Ausbau des Breitband-Internets. Beelitz und Seddiner See haben bereits Zuschüsse von 90 Prozent bewilligt bekommen, Anträge aus Michendorf und Wiesenburg würden zurzeit bearbeitet.
Die Landwirte sind nach wie vor auf staatliche Zuschüsse angewiesen. Deutlich machte dies KBV-Vorsitzender Wolfgard Preuß: „Wenn von einem Glas Milch 5 Cent, einem Brot 13,5 Cent, einem Kotelett 30 und von einem Kilo Kartoffeln 10 Cent beim Erzeuger ankommen, ist kostendeckendes Arbeiten nicht mehr möglich“, sagte er. Im vergangenen Jahr habe es keinen einzigen gewinnbringenden Betriebszweig gegeben.
Zwar sei die Getreideernte 2009 eine der besseren gewesen – Preuß verwies auf einen Roggenertrag von 41 Dezitonnen pro Hektar gegenüber 33 im Vorjahr – doch ist der Preis dafür um die Hälfte gefallen. Probleme bereiten den Betrieben auch der bürokratische Aufwand und die zunehmende Flächenknappheit. 130 Hektar werden täglich in Deutschland durch neue Straßen und Häuser versiegelt. Das Anfang März in Kraft getretene Bundesnaturschutzgesetz soll dies zwar künftig verhindern, doch müsse es vor Ort auch konsequent umgesetzt werden, forderte Preuß. Weitere Nachteile erleiden hiesige Landwirtschaftsbetriebe durch die Besteuerung des Agrardiesels. Während ihre Kollegen in anderen EU-Ländern nur 7 Cent (Niederlande), 1 Cent (Frankreich) oder überhaupt keine Steuern (Rumänien, Litauen) zahlen, müssen deutsche Bauern 26 Cent pro Liter berappen.
Mit Sorge blicken die mittelmärkischen Bauern auf die Zeit nach 2013: Dann startet in der EU die neue Förderperiode. Zuschüsse, so die Befürchtung, würden dann nach Osteuropa statt nach Ostdeutschland gehen. Vogelsänger kündigte ein gemeinsames Vorgehen der ost- und norddeutschen Landesregierungen an, um für die Mittel zu kämpfen.
Dass der „Ruf nach dem Staat schwerer“ werde, räumte indes Wolfgang Hilse, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes, ein. Landwirtschaftliche Produkte aus Deutschland müssten deshalb wieder eine größere Wertschätzung erfahren. Das Problem: Immer weniger Menschen kochen selbst, immer mehr ernähren sich von Fertiggerichten. In Anbetracht der niedrigen Erzeugerpreise sprach sich Hilse für eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Bauern und weiterverarbeitenden Betrieben aus. Schließlich müsse man auch ausländische Märkte erobern. „Es gibt Alternativen zu Aldi und Lidl“, sagte Hilse. Schon jetzt würden 30 Prozent der Landwirtschaftserzeugnisse exportiert. Hilses Beispiel: „Wir haben Holland überholt und sind Käseland Nummer 1.“ Thomas Lähns
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