
© Zollfahndungsamt Berlin-Brandenburg
Bad Belzig: 100 Kilo Drogen gelagert: Milchbauer vor Gericht
Kiloweise Cannabis, Amphetamine, Kokain und Ecstasy: Ein Milchbauer aus Bad Belzig lagerte auf seinem Hof Drogen im Wert von einer Million Euro. Ihm drohen nun zehn Jahre Haft.
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Potsdam/Bad Belzig - Ergrautes, leicht struppiges Haar, eine kleine eckige Brille auf der Nase, das Hemd feinsäuberlich gebügelt. Seit sechs Monaten sitzt der aus den Niederlanden stammende Milchbauer Marinus V. in Untersuchungshaft in Brandenburg/Havel. Am gestrigen Donnerstag wurde die Verhandlung gegen den 60-jährigen Mann im Potsdamer Landgericht eröffnet. In einem Keller auf seinem Hof in Werbig bei Bad Belzig fanden Zollbeamte mehr als 100 Kilogramm Drogen, darunter 84 Kilo Cannabis, fast zehn Kilo Amphetamine, jeweils um die sechs Kilo Kokain und Ecstasy. Wert der Drogen: etwa eine Million Euro. Dem Bauern droht eine Freiheitsstrafe von rund zehn Jahren.
Zufallsfund: Ein Keller voller Drogen
Der Fall sorgte Ende Februar, als das Drogendepot vom Zoll hochgenommen worden ist, deutschlandweit für Aufsehen. Ein unauffälliger Bauer, der weit ab vom Trubel in einem 183-Seelen-Dorf auf einem gut gehüteten Geheimnis sitzt – auch die Nachbarn waren schockiert. Marinus V. sei immer nett und hilfsbereit gewesen, hieß es aus Werbig. Zwischen Hauptstraße, Kirche und Kühen würde so etwas doch niemand vermuten. Selbst die Fahnder nicht: Sie kamen damals auf den Hof, weil sie Marinus V. verdächtigten, mit illegalen Zigaretten zu handeln sowie seine Fahrzeuge verbotenerweise mit Heizöl zu betanken. Der Verdacht bestätigte sich. Und dann war da noch der Keller voller Drogen – ein Zufallsfund.
Marinus V. kam sofort in Untersuchungshaft, die Gefahr der Flucht sei zu groß gewesen, erklärte Richter Heinz- Jörg Tiemann am Donnerstag. Der Niederländer habe gute Kontakte in seine Heimat. Ihm wird die Einfuhr und der Handel mit Betäubungsmitteln „in nicht unerheblicher Menge“ vorgeworfen, wie es in der Anklageschrift heißt. Dort steht auch, dass er von Oktober 2014 bis Februar 2016 zwölf Mal Drogen von den Niederlanden nach Deutschland gebracht haben soll. Auf einem Parkplatz fand die Drogenübergabe in monatlichen Abständen statt. Marinus V. schaffte Taschen mit 10 bis 20 Kilo Cannabis über die A7 auf seinen Hof.
Warum ließ sich der Milchbauer und Vater von vier Kindern auf den Deal ein?
Für jeden Transport soll der 60-Jährige 1000 Euro bekommen haben, 300 Euro im Jahr bekam er, weil er seinen Keller als Drogendepot zur Verfügung stellte. Kurz bevor die Fahnder zugegriffen haben, soll nochmals eine größere Menge an Drogen, darunter das Kokain, Ecstasy und die Amphetamine, unter anderem aus Spanien eingeführt,im Keller versteckt worden sein.
Wie sich das alles genau zugetragen hat, warum Marinus V., aus einer Landwirtfamilie stammend, selbst leidenschaftlicher Milchbauer – wie er von sich selbst sagt – und Vater von vier Kindern, sich auf diesen Deal einließ, blieb zu Prozessbeginn unklar. Der Landwirt wolle laut seiner Anwältin zwar aussagen, jedoch unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Der Staatsanwalt schloss sich dem Antrag der Verteidigung an. Die Strafkammer will darüber Ende des Monats entscheiden.
Er zeigte sich gesprächsbereit
Hintergrund für den Antrag sind laufende Ermittlungsverfahren gegen weitere Verdächtige, so die Staatsanwaltschaft Potsdam auf Anfrage. Im Landgericht fiel am Donnerstag der Name eines vermeintlichen russischen Komplizen, mit dem es Marinus V. zu tun gehabt haben soll. Würden die Aussagen des Milchbauern öffentlich, dann seien die noch vorzubereitenden Verfahren in Gefahr.
Auch wenn Marinus V. zum Fall an sich nichts sagte, zeigte er sich gesprächsbereit. Er sprach über seine Biografie und wie es ihn nach Werbig verschlagen hat. Es ist die Geschichte eines Mannes, der für seinen Milchviehbetrieb das letzte Hemd gibt. Zumindest erzählt er das so dem Richter.
Dabei trinkt er nicht mal Alkohol
Aufgewachsen mit fünf Geschwistern, Sohn eines Landwirts, katholische Erziehung, habe er Anfang der 80er-Jahre von seinem Vater einen Milchviehbetrieb in den Niederlanden übernommen. Er wollte den Betrieb erweitern, so kam er vor 14 Jahren nach Deutschland. Boden sei in den Niederlanden teurer als hier, sagt Marinus V. auf Deutsch mit dem für Niederländer typischen Akzent. Angefangen habe er in Werbig mit 69 Kühen, heute seien es 700. Zwölf Angestellte habe er, der Betrieb laufe weiter – trotz seiner Inhaftierung. Mit Drogen habe er nie zu tun gehabt. Selbst Alkohol trinke er nicht.
Seine Familie kam damals nicht mit, sie blieb in Holland. Drei seiner Kinder verdienen mittlerweile ihr eigenes Geld, die Jüngste mit 22 Jahren studiere noch, auch sie will in die Landwirtschaft. Seit 2002 pendelt Marinus V. jedes Wochenende nach Hause, unter der Woche arbeitet er in seinem Betrieb.
Schwankende Milchpreise
Auf die Frage des Richters, wie viel Gewinn sein Hof mache, wich der Landwirt aus. Seine Frau kümmere sich um die Buchhaltung und bei den schwankenden Milchpreisen sei es mal ein gutes, mal ein schlechtes Jahr. 30 Cent pro Liter bräuchte er, um nicht ins Minus zu rutschen. Drei Millionen Euro müsse er pro Jahr einnehmen, um die Kosten zu decken. Derzeit gebe es nur 24 Cent pro Liter, „das ist schlecht – aber wir glauben daran, dass es wieder besser wird“. Man nimmt ihm seine Hoffnung ab.
Am Ende der Verhandlung humpelt Marinus V. auf Krücken aus dem Saal, vor Jahren hat er bei einem Arbeitsunfall auf dem Feld sein Bein verloren. Wie es nun mit ihm weitergehen wird, bleibt zunächst offen. Das Gericht hat drei Verhandlungstage angesetzt, wann das Urteil erwartet wird, steht noch nicht fest.
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