Von Thomas Lähns: 30 Euro Gewinn pro Tonne
Ermittlung gegen mutmaßliche Zulieferer des „Müllpaten“ / Razzia in zwölf Wohn- und Geschäftshäusern
Stand:
Potsdam-Mittelmark - Der mittelmärkische Müllskandal zieht immer weitere Kreise. Gestern haben Einsatzkräfte der Polizei sowie Vertreter der Staatsanwaltschaft Potsdam und des Landesumweltamtes die Wohn- und Geschäftsräume von drei mutmaßlichen Zulieferern des „Müllpaten“ Bernd R. durchsucht. Ihnen wird vorgeworfen, mehrere Tausend Tonnen Siedlungs- und Gewerbeabfälle in den Jahren 2005 bis 2007 illegal an den 55-Jährigen abgegeben zu haben. R. soll sie dann widerrechtlich in Deponien unter anderem in Schlunkendorf entsorgt haben.
Insgesamt 60 Einsatzkräfte waren gestern an den nahezu zeitgleichen Razzien an zwölf verschiedenen Orten in Brandenburg und dem nördlichen Sachsen beteiligt, sie haben dabei mehrere Hundert Aktenordner sichergestellt. Gegen die drei Beschuldigten – einen 41-Jährigen aus dem Landkreis Oberhavel sowie einen 35- und einen 38-jährigen Mann aus dem Süden Brandenburgs – werde seit geraumer Zeit ermittelt, teilte Anja Resmer, Sprecherin des Polizeipräsidiums Potsdam mit. Offensichtlich waren die drei Unternehmer – ihnen gehören Verwertungs- und Recyclingfirmen – Teil eines großen Netzwerkes. Denn insgesamt soll Bernd R. 144 000 Tonnen Müll illegal in sieben Deponien und Gruben im Landkreis Potsdam-Mittelmark entsorgt haben. Im ehemaligen Tagebau bei Schlunkendorf waren die Ermittler auf 10 800 Tonnen gestoßen. Weitere Tatorte befinden sich im westlichen Landkreis in Alt Bensdorf (24 600 Tonnen), Mörz (7500 Tonnen), Zitz (47 250 Tonnen), Rogäsen (30 477 Tonnen), Schlamau (10 800 Tonnen) und Wollin (8000 Tonnen).
Gegen den 55-Jährigen ist bereits im Frühjahr Anklage erhoben worden. Ihm wird der unerlaubte Umgang mit gefährlichen Abfällen im besonders schweren Fall vorgeworfen. Erschwerend hinzu käme die Gewinnsucht, aus der R. gehandelt haben soll, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Potsdam, Ralf Roggenbuck, gegenüber den PNN. Denn man könne davon ausgehen, dass der Beschuldigte pro Tonne einen Gewinn von 30 Euro gemacht hat. „Entsorgt man Hausabfälle rechtmäßig, kostet das 70 bis 80 Euro pro Tonne“, erläuterte Roggenbuck. Wenn Bernd R. 40 Euro berechnet hat, sei das Unternehmen immer noch attraktiv für beide Seiten gewesen. Das Strafmaß für ein solches Umwelt-Vergehen liege zwischen sechs Monaten und sieben Jahren, so der Pressesprecher.
Wann das Verfahren vor dem Landgericht Potsdam eröffnet wird, ist noch unklar – ebenso die gesamte Tragweite des Müllskandals, der durch die aktuellen Ermittlungen nun auch über die Landesgrenzen hinausgeht. Die gestern beschlagnahmten Akten müssen nun erst einmal geprüft werden. Zuständig ist das Kommissariat „Umwelt“ der Potsdamer Kripo. Die Gruppe ist vor gut zwei Jahren gegründet worden, als der mittelmärkische Müllskandal immer neue Auswüchse zeigte.
Bernd R. wird sich indes Ende August in einem anderen Fall vor dem Amtsgericht Brandenburg (Havel) verantworten müssen. Es geht um Vorteilsgewährung gegenüber der Wusterwitzer Amtsdirektorin Gudrun Liebener. R. soll der Amtsverwaltung eine Weihnachtsfeier und dem Sportverein einen Rasentrecker spendiert haben. Die Amtsdirektorin wird mit ihm auf der Anklagebank sitzen, weil sie den Kauf des Treckers von sich aus angeregt haben soll. Im Amt Wusterwitz befinden sich drei der illegalen Deponien von Bernd R. Er hatte den Auftrag, sie zu renaturieren.
In einem anderen Fall fand gestern ein weiterer Prozesstag vor dem Potsdamer Amtsgericht statt. Zwei Männern wird vorgeworfen, in einer Kiesgrube in Prützke (Kloster Lehnin) 35 000 Tonnen Müll entsorgt zu haben. Gestern wurden weitere Zeugen angehört. Das Urteil in diesem Fall wird für den 25. Juni erwartet.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: